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Aus der Haut zu fahren kann für kurze Zeit entlastend sein, wenn ich meiner Empörung freien Lauf lasse. Es kann als wohltuende Verschmelzung erlebt werden, wenn ich mich einem Menschen oder Lebewesen sehr nahe fühle.

Aus der Haut zu fahren kann aber auch wehtun, wenn sich alte Gewissheiten als nicht mehr tragfähig erweisen, Neues gelernt werden muss, meist gegen Widerstand. Manchmal sehnen wir uns nach Entgrenzung, Weite, Erneuerung. Wir möchten die alten Begrenzungen hinter uns lassen, also auch die Grenzen unserer Haut. Sie ist zu eng geworden, wir wollen sie abstreifen oder sie bröselt an uns hinunter wie morsche Rinde.
Darunter sind wir nackt. Was nun? Dieser Zustand macht uns, auch wenn er ersehnt wurde, so verletzbar. Jeden leisen Windhauch spüren wir überdeutlich, alles Schwere und Raue jedoch auch.
Im Grunde ist dies ein überaus fruchtbarer Zustand, den wir so leicht vermeiden möchten durch diverse Ablenkungsmanöver – von exzessiven Tätigkeiten wie Lesen oder Laufen zu allerlei Süchten wie Rauchen, Sichüberarbeiten oder Zu-viel-Trinken. In dieser Verletzbarkeit können wir dem Leben sehr nahekommen, intim mit ihm sein und darin Berührtheit, Daseinsfreude erfahren. Und zwar nicht nur dem sogenannten Schönen, den reifen oder vergehenden Magnolienblüten gegenüber, sondern auch dem Widrigen, dem Hässlichen gegenüber. Allen Themen gegenüber, denen wir in unserem Leben am liebsten den Rücken zuwenden würden.
Durch unseren Ein- und Ausatem sind wir doch stets mit allem und allen verbunden, und da wir bekanntlich auch mit der Haut atmen, findet eine andauernde Entgrenzung und Erweiterung statt, und kurz darauf folgt wieder eine Begrenzung, eine Zusammenziehung.

Wir sind atmende Wesen, fahren aus der Haut und wieder in sie hinein, in kaum bewusstem, ständigem Austausch mit unserer Umgebung, dem Nahen und Fernen, und ich frage mich, ob und wie die Qualität des Atems uns selber und unsere Umgebung beeinflusst.
Es soll bekanntlich einen Unterschied machen, ob der sterbende Mensch als letzten Gedanken einen Fluch oder einen Segen auf den Lippen hat. Von manchen Weisen wird berichtet, dass diese sich darauf vorbereiteten, in der Todessekunde einen der 1.000 Namen Gottes, des Einen, des Höchsten, sprechen zu können – oder sollte ich sagen, ihn zu hauchen?
Ich übe, mir meines Atems bewusst zu sein, wenigstens einmal oder zweimal am Tag, während der Sitzübung, und mich damit den 1.000 Dingen untrennbar nahe zu fühlen.
In Tuchfühlung sozusagen.

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
Kommentare  
# Laura Nöwer 2018-04-17 11:38
Ich kenne dieses Gefühl zu gut.
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