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Es ist ganz interessant, wie Menschen mit dem Thema Liebe umgehen, es entweder zelebrieren oder lieber im Geheimen genießen. Ich persönlich bin ja für Offenheit.

Hier am Kap gibt es jedes Wochenende einen kleinen, aber sehr feinen Markt. Stände mit keramischen Knoblauchpressen, Biltongs, Nüssen, Secondhandkleidung und alten CDs vermischen sich mit Essensanbietern aus vielen Ländern. Polnisches Frühstück gibt es hier ebenso wie persische Lammpregos, spanische Paella und belgische Waffeln. In der Mitte brennt ein großes Kaminfeuer, an dem sich die Besucherinnen und Besucher in Zeiten des ausklingenden Winters wärmen können – falls sie nicht durch die Freitagsband zum schweißtreibenden Grooven eingeladen werden.

Mein Mann und ich gehen gerne hierher, weil die Atmosphäre heimelig und kreativ ist und stets eine Überraschung für uns bereithält. Nämlich jene, dass immer jemand auf uns zukommt und wissen will, warum sich Menschen jenseits der 50 in der Öffentlichkeit küssen. Und wie das alles gekommen ist. Und wie lange wir uns schon kennen. Nicht selten zeigt sich ein Hauch von Enttäuschung auf den verschiedenen Gesichtern, wenn wir die Wahrheit sagen und nicht die heimliche Hoffnung bestätigen, dass man selbst nach über 20 Jahren Ehe oder Partnerschaft noch verliebt sein kann. Denn das – scheint mir – wollen die Menschen hören, überall auf der Welt.

Ich halte das nicht für ausgeschlossen, auch wenn ich nur eine halbe Hand brauche, um Beispiele zu finden. Und doch merke ich während dieser Marktgespräche, dass das Thema Liebe auch jenseits von Erwartungen ein gleichbleibend wichtiges ist – für Jung und Alt. Selbst wenn wir beide mit grau melierten Haaren knutschend vor dem Kaminfeuer sitzen, wollen die Menschen unsere Geschichte hören – allein letzten Freitag waren es zehn an der Zahl. Sie lassen sich unsere Geschichte erzählen, wollen Tipps bekommen und wünschen uns viel Glück weiterhin. Vor allem junge Menschen sind dabei sehr offen, erzählen ihrerseits, wie es ihnen mit dem schönsten aller Gefühle ergeht, und letztens hat jemand an meinem Arm gerieben, wie ich früher den Bauch meines lachenden Buddhas gerieben habe, wenn ich um Glück bitten wollte.

Liebe

Hier in Südafrika erlebe ich immer wieder diese Offenheit der Menschen, die keine Angst davor haben, die wirklich wichtigen Themen ihres Alltags anzusprechen. Und natürlich sind die Lebensumstände hier genauso wenig rosig wie mancherorts in der nördlichen Hemisphäre. Trotzdem gehen Menschen aufeinander zu, wollen Beobachtungen teilen und sind interessiert an allem, was sie nicht kennen. Kaum habe ich jemals eine Reaktion registriert, die mir Missgunst, Ablehnung oder Verurteilung signalisiert hätte. Im Norden ist das etwas anders.

Vermutlich sind es die Prioritäten, die Menschen zurückhaltend sein lassen. Während hier Ubuntu als das Bewusstsein, dass man selbst Teil eines Ganzen ist, spürbar ist, scheint mir zu Hause diese Art der Verbundenheit etwas vernachlässigt zu werden. Man ist achtsam, welche Informationen man mit wem teilt, unterscheidet, bewertet und kategorisiert. Natürlich erleichtert das das Denken, denn schließlich ist es eine unglaubliche Informationsflut, die tagtäglich über uns hereinbricht und die man erst einmal bewältigen muss. Ohne Schubladen geht das kaum, das Sortieren. Doch oft habe ich den Eindruck, dass diese Bewertungen manchmal ins Kraut schießen und auch dann stattfinden, wenn man etwas einfach stehen lassen, vielleicht sogar genießen oder erleben könnte. Und das macht ein Leben ärmer, finde ich.

Ich persönlich beobachte von Herzen gerne. Nicht nur, weil ich mir durch diese Beobachtungen Geschichten ausdenken kann, wie wer beispielsweise eine außergewöhnliche Falte in seinem Gesicht bekommen hat. Und ich beobachte noch lieber Paare, die sich nicht schweigend gegenübersitzen, im besten Fall gegenseitig die Hand oder das Schulterblatt tätscheln oder Monologe führen. Sondern bei denen man merkt, warum sie zusammen sind. Jetzt könnte man ja sagen, dass es niemanden etwas angeht, warum Paare beschlossen haben, gemeinsam Zeit miteinander zu verbringen. Und ja, das stimmt natürlich. Doch gemäß der Ubuntu-Philosophie sind wir Teil eines großen Ganzen, und ich als Beobachterin bin auch ein bisschen verliebt, wenn ich ein Liebespaar sehe. Oder einen Rockstar, wenn ich in ein Konzert gehe. Und in diesem Sinne denke ich, dass es mehr Menschen braucht, die mit ihren guten Gefühlen nach draußen gehen und sie verbreiten. Das kann Begeisterung ein, Freude, Heiterkeit oder eben Liebe. Und alle, die das beobachten dürfen, können Teil davon sein – wenn das nicht die Vibration der Welt hebt, weiß ich auch nicht.

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Bilder © Pixabay

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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