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Ich kann mich ganz gut verständigen auf meinen Reisen und wenn es sein muss, auch mit Streichhölzern. Habe ich von meinem Ex gelernt. Hierzulande allerdings scheinen manchmal nicht einmal die zu transportieren, was inhaltlich gemeint ist.

Kürzlich in Berlin. Ich treffe eine langjährige Freundin, mit der ich vor Jahrzehnten zusammengearbeitet und nicht nur im Studio, sondern auch abseits davon einiges erlebt habe. Sie ist im Alter meiner Mutter und hat sich aufgerafft, in die Großstadt zu ziehen – auch um in der Nähe ihres Sohnes samt Enkeln zu sein. Nach der ersten Umarmung reden wir, als wäre unser letztes Treffen erst gestern gewesen und nicht vor acht Jahren. Das macht wahre Freundschaft aus – ein wirkliches Geschenk!

Wir kauen viele Themen durch, während wir bei ihrem Wohnzimmerfenster hinaus rauchen und Tee trinken. Und dabei kommt das Gespräch auf sie und ihren Sohn: „Er versteht mich nicht“, sagt meine Freundin, die auch Journalistin war und es gewöhnt ist, sich sozusagen professionell auszudrücken. Und das auch beim Radio, wo alles ohnehin noch etwas niederschwelliger ist. Unsere Hörer hatten auf jeden Fall kein Problem damit, uns zu verstehen. Doch das scheint sich nun geändert zu haben.

Ich hatte vor einigen Wochen den Fall, dass jemand aus dem Wort „tanzen“ „sprechen“ gemacht hat. Selbst bei allertiefster Recherche kann ich etymologisch keine gemeinsamen Wurzeln entdecken, auch wenn ich natürlich der Meinung bin, dass man durch Tanzen auch einiges ausdrücken kann. Doch darum geht es hier nicht. Manchmal frage ich mich, ob das virtuelle schwarze Loch einfach Wörter austauscht, was in meiner Welt langsam plausibler erscheint als dass ich mich damit anfreunden könnte, dass Mitmenschen einfach nicht mehr lesen können. Oder zuhören.

Verständigen

Heute lese ich auf Instagram einen Spruch, der mich nachdenklich macht: „Entschuldige dich niemals für das, was andere Menschen missverstehen.“ Was mich zu einer anderen Freundin bringt, der unterstellt wurde, dass sie immer so negativ ist, nur weil sie nachfragte, ob sie etwas ärgerliches getan hat. Sie ist eines der fürsorglichsten Sonnenkinder, das ich kenne und hat natürlich auch schlechte Tage wie wir alle. Doch daraus abzuleiten, dass man immer negativ sei, ist eine Unverfrorenheit. Lassen wir die Bewertung beiseite, handelt es sich hier wohl um ein klassisches Missverständnis. Was mich zum Spruch zurück bringt.

Ich bin eine von der Sorte, die wirklich hundertmal versucht, sich auf den unterschiedlichsten Ebenen auszudrücken. Einfach um sicherzustellen, dass meine Botschaft beim Gegenüber ankommt. Idealerweise richtig. Dabei habe ich zwei Beobachtungen gemacht. Erstens kriege ich davon Gehirnzuckungen, weil ich mich selbst als Empath irgendwann einmal nicht mehr in den anderen hinein denken kann. Wenn man Menschen noch nicht so lange kennt, ist das ohnehin eher eine intuitive Angelegenheit; bei besser Bekannten kann man ja noch weitere Details in Betracht ziehen. Doch selbst das wird selten belohnt, weil mit der 300. Erklärung die Aggressionen des Gegenübers zunehmen, habe ich erfahren. Oder die immer negativer werdenden Interpretationen dessen, was ich sagen will.

Deshalb habe ich jetzt beschlossen, nach dem dritten Erklärungsversuch aufzugeben. Wenn das Gegenüber dann noch nicht verstanden hat, worin beispielsweise der Unterschied zwischen einer Verbindung und einer Beziehung besteht, ist alles weitere Zeitverschwendung. Deshalb gehe ich dann. In Freundlichkeit, aber Bestimmtheit – virtuell und real. Ich habe zwar noch Jahrzehnte vor mir, aber die werde ich bestimmt nicht damit verbringen, anderen meine seelische, wahlweise emotionale oder intellektuelle Gemengelage zu erklären. Entweder mein Gegenüber zeigt sein Interesse durch Fragen oder es muss mit meiner Abwesenheit leben. War am Anfang schwierig, wird aber einfacher. Mit jedem Missverständnis. Und davon gibt es derzeit ziemlich viele. Nicht nur in meinem Leben, sondern auch im Leben anderer. Das beruhigt mich ein wenig. Weil geteiltes Leid fast schon Glück ist. Denn für jemanden, der davon und dafür lebt, sprachlichen Ausdruck zu finden, beginnt die Welt zu bröckeln, wenn Inhalte versanden. Doch bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt, und wenn Sie mir bis hierher gefolgt sind, ist meine Welt mehr als in Ordnung.

 

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
Kommentare  
# Stefanie 2018-12-02 08:59
Und wieder bin ich Ihnen sehr gerne und schmunzelnd bis zum Ende des Textes gefolgt, liebe Frau Dabringer.
Freue ich auf den nächsten FREITAG.
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# magclaudiadabringer 2018-12-14 14:19
liebe stefanie! es freut mich sehr, sie begleiten zu duerfen!
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# Manuela Suter 2018-12-05 11:14
Das kenne ich nur allzu gut! Mühselig u kräftezehrend... Die Kunst zuzuhören um zu verstehen nimmt je länger je mehr ab, schade... Denn dieser zwischenmenschliche Input, Austausch, wäre so wichtig!
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# magclaudiadabringer 2018-12-14 14:20
danke fuer ihre worte, liebe manuela. wir bleiben optimistisch, eben weil es so wichtig ist!
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