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Achtsamkeit & Meditation

Die Praxis von Yoga wirkt sich auf unser körperliches Wohlbefinden aus. Der Yoga verändert aber auch das Verhältnis, das wir zu uns selbst haben und somit unsere Beziehungen. Aber inwiefern? Wie können uns die philosophischen Weisheiten des Yoga in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen im Alltag weiterhelfen?

Yoga gilt vorwiegend als detailgerechte, meditative Beschäftigung des Körpers unter genauer Anleitung, bei der sich der Körper nach längerer Praxis in waghalsige Verrenkungen begibt. Das Wissen über den tiefer gehenden und teilweise durchaus religiösen bzw. spirituellen Aspekt hat Yoga im Westen den Ruf eingebracht, esoterisch zu sein. Eine Einschätzung, die meiner Meinung nach den hinter Yoga liegenden Lebensweisheiten nicht gerecht wird.

Tatsächlich wirkt sich eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Yoga auch auf unseren Alltag aus. Yoga verändert uns, unsere Persönlichkeit, unser Innenleben und beeinflusst somit auch einen integralen Bereich unseres Lebens, nämlich unsere verschiedenartigen Beziehungen zu anderen Menschen: zu unseren Arbeitskolleg/innen, unseren Freund/innen und Bekannten, unserer Familie, Eltern, Geschwistern, eigenen Kindern und nicht zuletzt beeinflusst Yoga die intimste Form der Beziehung: unsere Liebesbeziehungen. Weitreichend bekannt ist das Stereotyp des asketischen Yogi, der ohne Beziehungen, aber auch jeglichen Gelüsten entsagend, allein für die Beschäftigung mit seinem Geist lebt. Weniger bekannt, aber im Grunde weitaus verbreiteter sind im Westen die tantristischen Auswüchse des Hatha Yoga, die dem Yogi das weltliche Leben nicht nur nicht untersagen, sondern es sogar fördern. Die Hingabe (bhakti), durchaus auch im körperlichen Sinn, war Teil eines größeren, spirituellen Ganzen. Völlig falsch oder besser einseitig, ist aber die heute häufig verbreitete Annahme, Tantra sei gleichbedeutend mit Sex. Im Gegensatz zum Yogi, der sein Leben ganz der Praxis von Asanas und den Studien alter philosophischer Schriften widmet, gibt es noch den so genannten „housholder-Yogi“, der sein Leben am Yoga orientiert, aber einen weltlichen Alltag lebt, mit Familie, Arbeit und Freundschaften. Von Bedeutung im heutigen Tantrismus ist die Philosophie über den Körper: Im Tantra dient er als Hilfsmittel, durch das das Selbst die Welt erfahren kann. Yoga verhilft nicht nur zu einem wunderbaren Körpergefühl von stabiler Leichtigkeit, sondern ist bei näherer Betrachtung, eine intensive und tiefe Auseinandersetzung mit sich selbst. Die Konfrontation mit dem eigenen Körper, seinen Grenzen und damit einhergehend die intensive Schulung der Eigenwahrnehmung im Yoga hat auch Auswirkung auf unser emotionales Leben. Der Aspekt der Selbsterfahrung ist im Yoga ein essenzieller. Bei intensiverer Praxis kommt wohl jeder Yogi und jede Yogini früher oder später zu dem Punkt, an dem er/sie seinen/ihren eigenen Yogaweg finden muss.

Auch die Beschäftigung mit den philosophischen Hintergründen des Yoga hilftbei der Reflexion des Selbst und gibt Anleitung zur Selbsterfahrung: während derAsanapraxis auf der Matte, aber auch im Alltag. Der Weg des Yoga hat im Grunde viel mit der westlichen Psychologie gemein: Letztlich wird man auch in der Reflexion über sich selbst immer wieder auf seine Beziehungen zu anderen Menschen zurückgeworfen, da wir uns neben Beruf und anderen Tätigkeiten doch sehr über unsere Beziehungen definieren. Im Grunde aber, ist die Beziehung des Menschen zu sich selbst, entscheidend.

Andrea  stritt regelmäßig mit ihrem Ehemann. Durch Yoga hat sie gelernt, besser zu ihren eigenen Bedürfnissen zu stehen. Seitdem geht es auch in der Ehe wieder bergauf. „Ich habe gelernt, meinen Bedürfnissen mehr Raum zu geben. Das hat anfänglich verstärkt zu Konflikten geführt, da Yoga doch sehr viel Raum in meinem Leben eingenommen hat. Mein Mann wollte das anfangs gar nicht akzeptieren. Ich habe gelernt, meine Bedürfnisse nicht immer seinen unterzuordnen. Langsam konnte er sehen, dass durch meine wachsende Zufriedenheit auch er nur gewinnen konnte. Letztendlich ist jetzt alles viel besser geworden und unsere Beziehung hat dadurch nur profitiert.”

Philosophischer oder im weiteren Sinne auch psychologischer ist die zwischen dem 2. Jhd. vor und dem 2. Jhd. nach Chr. entstandene Schrift des „Yogasutra“ von Patanjali. Im Yogasutra sind damals gängige Praktiken des Yoga zusammengefasst. Im Yogasutra gibt es Ethikregeln, die als Yamas und Niyamas als die ersten beiden Stufen – und somit Voraussetzungen – des achtgliedrigen Pfads des Hatha Yoga verstanden werden. Ethik wird hier mehr zu einem Lebensratgeber bzw. zu einem Leitfaden zu einer besseren Wahrnehmung seiner Selbst und der Möglichkeiten im Umgang mit sich, aber eben auch mit anderen. Die Anleitungen sind weit von dogmatischen Moralvorstellungen zum Wohle einer Gesellschaft, eines Staates oder der einseitigen Sorge um das Verhältnis oder die Beziehungen zu anderen, entfernt, sondern meinen eher ein geduldiges Arbeiten an sich selbst. Zufriedenheit, Glück, Zielgerichtetheit, aber auch das Recht auf Lernen, Wissen, Hygiene, körperliches Wohlbefinden, Reinigung und Leidenschaft, Liebe zu seinem Tun werden als wichtig zu erachtende Bereiche im menschlichen Entwicklungs-, oder eben Übungs- bzw. Lebenspfad angesehen. Zentral erscheint das Prinzip der Gewaltlosigkeit. Gewaltlosigkeit wird als Geisteshaltung verstanden, die sich aus Disziplin und Bewusstwerdung der tiefer liegenden Emotionen entwickelt. Die Gebundenheit des Menschen an Gier, Zorn und Unbewusstheit erzeugt Konflikte und führt zu Leid (dukha). Allein die Reflexion und Wahrnehmung dieser Gebundenheit, sowie die Liebe zur Wahrheit, führen aus dem Leid heraus. Im Gegensatz zu einer christlich geprägten Wertvorstellung legt Patanjali in seinen Schriften großen Wert auf den achtsamen Umgang mit sich und den persönlichen Resourcen. Die Beziehung des Menschen zu sich selbst kann als Voraussetzung für die Beziehung zu anderen (zumindest aber von ebenbürtiger Wichtigkeit wie diese) interpretiert werden. Selbstverantwortung ist die Basis jeder funktionierenden Gemeinschaft. Ethik wird hier zu einem Lebensratgeber bzw. zu einem Leitfaden für eine bessere Wahrnehmung seiner selbst und der Möglichkeiten im Umgang mit sich, aber eben auch mit anderen. Die Weisheiten sind nicht in der Befehlsform abgefasst (Du sollst...!), sondern verstehen sich als Möglichkeit oder Hilfestellung. Patanjalis Yogasutra bietet eine aufgeschlossene, liberale und auch zeitgemäße Anleitung zum Leben: Wer den yogischen Weg konsequent gehen möchte, muss sich letztendlich sich selbst stellen und muss vor allem auch mit sich selbst einen guten Umgang pflegen. Die Erfahrung der eigenen, meist physischen, aber auch psychologischen Grenzen während des Übens kann als Probeparkett für den Alltag gesehen werden: Wie gut kann ich mich gegenüber anderen abgrenzen? Wie leistungsorientiert bin ich? Wie viel verlange ich mir selbst ab? Wie sehr bin ich gewillt, meine eigenen Schwächen zu akzeptieren?

Yoga

Wie können uns die philosophischen Weisheiten des Yoga in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen im Alltag weiterhelfen? Die Erkenntnis und Akzeptanz der eigenen Bedürfnisse ist oft schon ein hilfreicher Schlüssel zu einem erfüllteren Beziehungsleben und ermöglicht auch eine größere Toleranz gegenüber den Bedürfnissen anderer. Eine intensive Beschäftigung mit Yoga geht einher mit einer tiefgehenden Beschäftigung mit sich, führt oft zu Veränderungen auf persönlicher Ebene und kann so entweder zur Lösung von Beziehungsproblemen beitragen, oder aber auch die Unmöglichkeit von Paarkonstellationen und negativen Beziehungsmustern deutlich machen. In unserer Übungspraxis spiegelt sicht oft der Umgang mit uns selbst wider: so gibt die Standfestigkeit in Balanceübungen Aufschluss über unsere Erdung und auch innere Ausgeglichenheit, im Vermögen oder Unvermögen zur Entspannung spiegelt sich unsere Fähigkeit zum Loslassen, in der Asanapraxis unsere Fähigkeit zur Akzeptanz eigener körperlicher wie psychischer Grenzen …

Alex berichtet von einer Verbesserung der Lebensqualität innerhalb seiner Beziehung, seit er durch Yoga entdeckt hat, dass er manchmal mit sich selbst zu streng ist. „Anfangs bin ich immer viel zu tief in die Asanas hineingegangen. Ich hab mir selbst keinen Raum gelassen zu lernen, mich und meine Grenzen zu spüren. Der Hinweis meiner Yogalehrerin, nicht alles perfekt machen zu wollen, hat mir diesbezüglich sehr viel geholfen. Nach zwei Jahren Praxis kann ich jetzt selbst auf meine Grenzen achten!“ Von seiner Freundin erwartet Alex jetzt auch weniger. Er hat gelernt, sie nicht mehr für sein Glück verantwortlich zu machen. „Es ist mir klar geworden, dass ich meine Zufriedenheit nicht im Außen suchen muss, sondern dass sie ein innerer Zustand ist, den nicht jemand anderer für mich herstellen kann.“

Beim Praktizieren lernen wir nicht nur, uns von dem unsere Gesellschaft prägenden Leistungsgedanken zu lösen, sondern auch unsere eigenen und die Schwächen anderer zu erkennen und zu akzeptieren. Diese Akzeptanz kann sich auch am Arbeitsplatz sehr positiv auswirken, wie Evelyne, Leiterin eines Verlags in Wien, erzählt: „Ich habe gelernt, Fehler besser zu akzeptieren. Zuerst meine eigene Unvollkommenheit in der Yogapraxis, dann die meiner Angestellten! Unser Arbeitsklima hat sich um einiges verbessert: Es ist einfach lockerer geworden“. Die Entscheidung, den Yogaweg zu gehen, ist eine für's Leben. Dies nicht nur, weil Yoga viel unserer kostbaren (Frei-)Zeit in Anspruch nimmt. Die Auseinandersetzung mit sich selbst und seinem Körper im Yoga kann verändern und zur (Weiter-) Entwicklung unserer Beziehungen beitragen oder Spiegel dieser Entwicklung im körperlichen Bereich sein. Beinahe alle Prinzipien im Yoga, die für die Praxis auf der Matte Bedeutung haben, sind unglaublich heilsam für unsere Beziehungen im Alltag. Die „Beziehung“ zwischen Yoga und Beziehung ist eine von wechselseitiger Einflussnahme: Die persönliche Entwicklung entlang des lebenslangen Yogaweges hinterlässt Spuren in uns und unseren Beziehungen. Die regelmäßige Praxis von Yoga fördert die innere Ausgeglichenheit. Diese Fähigkeit zu innerer Ruhe und Gelassenheit trägt viel zum Gelingen einer guten Beziehung bei. Zu Lernen, an den Dingen nicht anzuhaften, wie das in Meditation und Asanapraxis vermittelt wird, hilft ein zufriedeneres Leben zu führen und andere weniger für das eigene Glück verantwortlich zu machen. Eine Liebesbeziehung kann das höchste Glück bedeuten, eine Quelle von Freude, Kraft und Energie sein. Ebenso kann aber das Ende einer Beziehung niederschmetternd sein, uns den Boden unter den Füßen wegziehen und uns in Einsamkeit zurücklassen. So ist auch das in der Yogapraxis erforderliche Loslassen ein wichtiger Bestandteil jeder Beziehung, die ein ständiges Werden ist und vor Veränderungen nicht halt macht – wie das Leben.

Linda Oberndorfer

Wir danken der "Yoga-Zeit" für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung des Artikels. Den original Artikel finden Sie hier.

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Kommentare  
# Kirsten Anderheggen 2016-05-30 08:13
Spirituell - Ja :-)

Esoterisch - wer kommt auf so einen Quatsch ?
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