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Gewisse Dinge weiß man mit 50. Dass man nach 35 Raucherjahren fußläufige Steigungen von mehr als 45 Grad vermeidet. Dass graue Strähnen im Haar automatisch um sechs Jahre älter machen. Dass man ein flüssiges Ei wiegt, bevor man es zu einem weichen macht. Solche Sachen.

Man hat gelernt, die Ergebnisse angenommen, vielleicht sogar kultiviert. Und dann findet man sich in einem Gespräch mit einem vertrauten Menschen, mit dem man zwei Jahrzehnte verbracht hat. Man redet über Alltägliches, weil man das selbst über die Entfernung miteinander teilt. Man kommt vom Allgemeinen zum Besonderen, denkt sich, wie locker man inzwischen mit gewissen Themen umgehen kann. Schließlich sind wir Menschen zur Selbstreflexion fähig. Idealerweise führt diese in einem ersten Schritt zur Selbsterkenntnis und im zweiten zur Selbstoptimierung.

Und während man sich der strahlenden Zufriedenheit hingibt, steht man plötzlich auf dem Feld der Stürme. Wurde man ohnmächtig, an den Schultern auf- und über den Rain gehoben? Wurde man beim Anzünden der Zigarette geblitzdingst? Hat das Wissen um den 70. Geburtstag von Tim Curry einen „Time Warp“ ausgelöst? Nicht, dass man sich all diese Gedanken machen würde, während man barfuß in der Ackerscholle steht. Da ist man ja damit beschäftigt, Halt zu finden auf den trockenen Erdrändern, denkt vielleicht an die frisch pedikürten Füße, die in schicke Schuhe gehören und nicht in tönernen Lehm. Der Wind reißt an den Kleidern, zerstört das geordnete Chaos AM Kopf und verunordentlicht die Struktur IM Kopf.

Und worauf kann man sich in solchen Situationen verlassen? Auf jahrelang geprägte Verhaltensweise. Angriff und Verteidigung. Selbstmitleid und Anklage. Herrlich. Wenn einem alles genommen wird, bleibt wenigstens das. Und obwohl sich das alles ziemlich schrecklich anfühlt, fühlt es sich auch wieder gut, weil vertraut an. Manche Menschen verbringen ein ganzes Leben damit, in einer schrecklichen Situation zu verharren, weil alles andere schrecklich ungewiss und unsicher ist.

Von mir dachte ich, dass ich das alles hinter mir gelassen hätte. In der namibischen Wüste die Leere, die Platz für Neues macht, gefunden hätte. Bei den ägyptischen Pyramiden mein Verständnis für Zeit, vor allem für heilende Zeit, neu eingestellt hätte. Mitnichten. Doch es besteht Hoffnung. Auch das hat man in meinem Alter gelernt. Vielleicht. Auf den Sturm folgt die Windstille, auf die Selbstgeißelung die Erkenntnis, dass man mit Sanftheit oft weiterkommt. Vor allem bei sich selbst. In diesem Sinne: Ich habe mich durchblasen lassen, mir die Füße schmutzig gemacht, das Chaos im Kopf wahrgenommen. Heute ist ein neuer Tag.

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
Kommentare  
# vater 2016-05-31 18:13
tolle erkenntnisse!!!!!!!!!
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