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Leben

„Gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen", meinte schon Paracelsus. Für jede Energiestörung gibt es ein ausgewogenes pflanzliches Vielstoffgemisch, könnte ein Spruch der Tibetischen Medizin lauten. Und ‚ohne rechtes Maß' gibt es keine Gesundheit, gilt wohl für alle.

Der Schweizer Psychiater und Begründer der Analytischen Psychologie C.G. Jung (1895-1961) stellte dem modernen Menschen schon vor Jahrzehnten in seiner seelischen Existenzbetrachtung ein erschütterndes Zeugnis aus. Nach seiner Ansicht hat der moderne Mensch seine Seele für zusammenhanglose Fakten verkauft und taumelt nun in einem Meer der Gefühlskälte und Orientierungslosigkeit durch die Welt.

Angetrieben durch den Anspruch, ein ‚Face' oder ein ‚Portal' zu besitzen, bemerkt der moderne Mensch nicht den Verlust des Mythos ‚Menschsein', der seinem Leben tieferen Sinn und Richtung verleiht. Dieses Menschsein beinhaltet die Vorstellung einer energetisch ausgewogenen Verbundenheit des Menschen mit allen kosmischen Strukturen, welche sich nicht in einem Internetportal abbilden lassen.Traditionelle tibetische Heilmedizin

Diesen Verlust an Sinn und Richtung auf das rechte Maß bezogen muss auch die moderne abendländische Medizin beklagen. Auch der noch so tapfer verteidigte Begriff der ‚klinisch relevanten Evidenz', gleichsam als Krone naturwissenschaftlicher Erkenntnis, kann den Zustand vollständiger Gesundheit oder deren Abwesenheit nicht ausreichend beschreiben. Der Begriff der klinischen Evidenz würde nur dann genügen, wenn die Krankheit in einer mechanistisch begründeten Weltsicht die Abwesenheit von Gesundheit wäre und nicht, wie im realen alltäglichen Leben, sich Krankheit auch als eine sekundäre Erschütterung der Seele zeigen würde, welche die physiologischen Prozesse beeinflusst. Carlo Zumstein (Schamane, Psychotherapeut, Winterthur) spricht in diesem Zusammenhang davon, dass Seelenteile den Körper vor dem Eintritt eines Traumas verlassen – gleichsam als Schutzreflex des Körpers vor dauerhaftem Schaden. Was sich neben den seelischen Traumen manifestiert, sind jedoch auch zelluläre Traumen, die im Sinne epigenetischer Vorstellungen Veränderungen im Erbgut auslösen oder zu kurzzeitigen, aber auch chronischen Funktionsverlusten wichtiger biochemischer Regulationselemente führen können.

Das ‚rechte Maß' kann als Grundlage für eine dauerhafte Gesundheit verstanden werden, als Denkanstoß für die biologische Vernunft in allen Lebenslagen.

Lineare Denkweise als Beschränkung
Die westliche Medizin betont die mechanistische Konstellation des Organismus sowohl bei der Diagnosefindung als auch bei Therapiemaßnahmen. Eine Krankheit stellt demzufolge eine Unordnung in dieser Beziehung dar. Alle gewählten therapeutischen Maßnahmen zielen auf die Beseitigung dieser Unordnung durch die Aufhebung der Ursache ab. Man definiert also, je mehr an Reizen gegeben wird, desto stärker ist die Antwort des Körpers und umgekehrt. Dieses lineare Denken bezieht sich auf das Verhältnis von Ursache und Wirkung, trifft jedoch in biologischen Systemen nur eingeschränkt zu. Ich bin nicht umso gesünder, je mehr ich esse und trinke oder je mehr ich mich bewege, sondern es gilt, das rechte Maß, die Ausgewogenheit in Nahrungsaufnahme und Bewegung zu finden.
Ein Beispiel aus der Stoffwechselmedizin soll diesen Gedanken vertiefen.

Die Fettleibigkeit ist ein modernes Phänomen der westlichen Gesellschaft und nicht mehr, wie etwa vor 20 Jahren, eine Erkrankung von 70-Jährigen, sondern bereits eine ernsthafte Stoffwechselerkrankung von 7-Jährigen. Der Verlust des rechten Maßes bei ungesunder kohlenhydrat- und fettreicher Ernährung zeigt sich sprichwörtlich durch den Verlust der normalen Körperform. Medizinisch bedenklich ist der Umstand, dass Fettleibigkeit in unserer Gesellschaft fast ausschließlich als ‚Formfehler' diskutiert wird und dabei verborgen bleibt, dass Fettleibigkeit eine Entzündungserkrankung mit dauerhaften Störungen des gesamten Organismus ist. So wird die Maßlosigkeit zur Quelle chronischer Veränderungen bis hin zu Krebserkrankungen. Ausgelöst wurde die lineare Denkweise durch die moderne Technik, da in technischen Bereichen lineare Prozesse vorherrschen. Linearität wurde in unserer Gesellschaft zum Faustpfand der Berechenbarkeit und Präzision und deshalb auch auf die Medizin angewandt. Biologische Systeme folgen Regelkreisen, die nur im ausgewogenen Zustand robust bleiben und ihre Arbeit verrichten können. Herbert Schwabl spricht vom unerfüllbaren Traum der analytischen Wissenschaft im Umgang mit Monosubstanz-Medikamenten.

Das Postulat, dass ein gezielter Eingriff an unserem Körper mit einer wohldefinierten Monosubstanz die beste Heilwirkung bringt, sieht die Tibetische, aber auch die Ayurvedische Medizin nicht erfüllbar.

Der Grund liegt in der Unerfüllbarkeit zweier Postulate:
a) dem Postulat der nebenwirkungsfreien Zielgenauigkeit von Monosubstanzen
b) dem Postulat der allgemeinen Gültigkeit von vereinfachten Messmodellen zur Interpretation der Wirklichkeit komplexer Systeme

Eine chemisch lineare Denkweise setzt voraus, dass für einen gezielten medikamentösen Eingriff das Körperziel (der Schaden) genau bekannt und dieses von der Monosubstanz nebenwirkungsfrei angesteuert werden kann und dass zur Umgehung der Komplexität bei der wissenschaftlichen Überprüfung der Wirkung Modellsysteme den Organismus ausreichend abbilden.

Beide Annahmen sind nicht erfüllbar und entlarven so die Linearität als unbrauchbare Vorgabe für unser medizinisches Handeln. Nur durch die Hereinnahme des Begriffes der Ganzheit wird Heilung möglich.

Pflanzliche tibetische Mehrstoffgemische gehorchen durch die ihnen innewohnende biologische Vernunft der Komponenten im Mehrstoffgemisch diesem Ganzheitsbegriff.

Die biologische Vernunft
Seit zwei Jahrtausenden setzt die Tibetische Medizin meist pflanzliche Vielstoffgemische für die phytotherapeutische Behandlung des Menschen ein. Die tibetische Materia Medica umfasst eine große Anzahl unterschiedlicher Pflanzenwirkstoffe aus Blättern, Rinden, Wurzeln, Blüten und Harzen. In geringerem Maße werden auch Mineralien und tierische Stoffe verwendet. Die besondere Charakteristik tibetischer Arzneimittel besteht darin, dass sie als Vielstoffgemische (multicompounds) aus drei bis fallweise sogar mehr als 20 verschiedenen Rohstoffen zusammengesetzt sind. Monosubstanzen als eigenständige Medikation sind unbekannt. Gemäß der Auffassung tibetischer Pharmakologen gehorchen die Rezepturen der ‚biologischen Vernunft'. Darunter versteht man ein Wirkkonzept, welches sich aus der Verstärkung der Hauptwirkung und der Abschwächung der Nebenwirkungen durch die gewählten Bestandteile der Rezeptur begründen lässt. Eine solche Denkweise ist der Pharmakologie des Westens weitgehend fremd. Ungeachtet dieser Beschränkung in der Akzeptanz haben tibetische Medizinprodukte aufgrund hervorragender Wirksamkeit schon lange ihren Siegeszug bei der Behandlung chronischer Entzündungsprozesse angetreten.

Das Tibetische Heilungskonzept
Die westliche Medizin ist in der Beschreibung einer Krankheit darauf trainiert, dass diese durch einen genau lokalisierbaren Herd oder Defekt angezeigt wird. Daraus folgern wir, dass unsere Medikamente zur Beseitigung des ‚Störfalles' diesen Ort aufsuchen müssen und dort eine direkte Wechselwirkung, sprich die Heilung, auslösen können.
Komplexe biologische Systeme wie der Mensch bestehen zwar aus gut definierbaren Komponenten (Zellen, Organen, Geweben, knöchernen Strukturen etc.), jedoch ist ein hochkomplexes Regelwerk für die Funktion dieser Komponenten nötig. Da nun Regelkreise Funktionseinheiten in einem größeren Zusammenhang sind, wirkt unser einfaches Denken – ein Störort, ein Störortbeseitiger – etwas unbeholfen und – man ist fast geneigt zu sagen – auch sachlich falsch.
Abseits des gebrochenen Beines, wo die Komponenten für die Heilung wieder zusammengefügt werden, benötigt die ‚Heilung' komplexer chronischer Störungen eine dauerhafte Veränderung der Komponenten und der gestörten Regelkreise.
Tibetische Ärzte sehen das Problem aus der Sicht der Energetik – am Anfang jeder Störung steht ein Energieproblem – und finden sich dadurch in der Ganzheit leichter zurecht. Sie sehen den Menschen eingebunden in das Konzept der Verbundenheit aller Körperteile und Funktionen (Regelkreise) im Mikro- und Makrokosmos.
Dauerhafte Heilung kann also nur in einer Veränderung der Korrespondenz zwischen dem Störort und der gesamten Umgebung, sprich Zellen, Organe, Organsysteme, aber auch belebter und unbelebter Materie und der Regelkreise erfolgen.Tibetische MedizinIm Umgang mit Heilpflanzen und sogenannten tibetischen Mehrstoffgemischen verfolgt der tibetische Arzt diesen Ansatz. Er geht davon aus, dass die Pflanzeninhaltsstoffe den Ort unterschiedlicher Auslenkungen einer Störung selbstständig finden und beeinflussen. Das setzt auch die Annahme voraus, dass die Orte der Störung sowie die dazugehörigen Regelkreise nicht ident sein müssen, sondern in einem größeren konzeptionellen Zusammenhang stehen.
Somit ist es aus der Sicht des tibetischen Arztes kein Widerspruch, dass seine Pflanzenmischung mehrere Wirkorte gleichzeitig beeinflusst und so einen wichtigen Beitrag zur Harmonisierung aller betroffenen Regelkreise leistet.

Ein Beispiel: Spricht ein tibetischer Arzt ein Leberproblem an, spricht er gleichzeitig davon, wenn es nicht gelingt, dieses zu beseitigen, werde in der Folge eine Augenstörung und später eine Herzstörung eintreten.

Was macht ihn so sicher? Es ist der jahrhundertelange Umgang mit Organsystemen und ihrer energetischen Beeinflussung sowie die dokumentierte Wirksamkeit seines Handelns.

Tibetische Phytotherapie
Die tibetischen Arzneikomponenten werden als Ganzdrogen getrocknet, gemahlen und dann entsprechend den Rezepturen zu Heilmitteln gemischt, die meist in Form von Pulvern, Pillen, Tabletten und Decocta eingesetzt werden.

In tibetischen Formeln werden die Wirkstoffe gemäß den Prinzipien der Tibetischen Medizin zusammengestellt. Krankheiten sowie die verwendeten Pflanzendrogen werden primär in ‚kalt' und ‚heiß' unterschieden und außerdem nach der Auslenkung beziehungsweise der Beeinflussung der drei Körperprinzipien rLung, Tripa und Beken klassifiziert. Therapeutisch werden so zum Beispiel kalte Erkrankungen mit heißen oder wärmenden Pflanzen behandelt. Damit werden Energiestörungen wieder ausgeglichen. Als zusätzliches Auswahlkriterium fungieren die organotropen Eigenschaften der Pflanzendrogen. So haben bestimmte Pflanzen neben ihrer heißen oder kalten Charakteristik und ihrem Einfluss auf die Körperenergien eine besondere Wirkung auf bestimmte Organe oder Organsysteme.

Die Besonderheit tibetischer Arzneimittel liegt demnach in ihrer konsequenten Umsetzung der Vielstofflichkeit. Die Tibetische Medizin erweitert durch ihren Vielstoffansatz das therapeutische Spektrum der Komplementärmedizin und bildet so einen eigenständigen Baustein der modernen Therapie mit Pflanzenstoffen (Phytotherapie). Das Paradigma von Paracelsus ‚Für jede Krankheit existiert ein Kraut' wird erweitert um den Grundsatz ‚Für jede Energiestörung gibt es ein ausgewogenes pflanzliches Vielstoffgemisch'.

Ein komplex zusammengesetztes tibetisches Arzneimittel ist nicht einfach nur eine Kombination von Einzelarzneien, sondern kann gewissermaßen als eine imaginäre, neu zusammengestellte ‚Medizinalpflanze' mit einer optimalen Wirkung auf eine bestimmte Störung verstanden werden. Erst die Kombination der an sich schon komplex zusammengesetzten Pflanzendrogen wird zum Träger einer integralen Wirksamkeit. Das Konzept einer derart potenzierten Vielstofflichkeit bedeutet aber auch Erschwernisse im Umgang mit tibetischen Heilmitteln vonseiten der westlichen Wissenschaft und aus regulatorischer Sicht, da Messmethoden zur Abfrage von mehrdimensionalen zellulären Signalen in Raum und Zeit fehlen oder erst etabliert werden müssen (4).

Gesundheit ist nicht die Abwesenheit von Krankheit, sondern das höchste Prinzip des rechten Maßes. Die biologische Vernunft beruht auf dem Gleichklang sanfter, aber äußerst präziser Regulationen an vielen Wirkorten im Organismus.

Der Verlust des rechten Maßes in biologischen Systemen kann als neuer Krankheitsbegriff definiert werden und der Gedanke der biologischen Vernunft als Überbegriff der Vernetzung des Mikro- mit dem Makrokosmos. Diese Definition setzt neue Maßstäbe für unser Medizinverständnis.

Florian Überall, 1954 geboren, ist Professor der Medizinischen Biochemie an der Medizinischen Universität Innsbruck und Leiter des Gen-Analysezentrums der Medizinischen Universität Innsbruck.Der Wissenschaftler ist Gründer und Vorstand des Informationszentrums für Tibetische Medizin in Telfs, Österreich.

 

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Kommentare  
# Susan R. 2016-06-13 15:57
Das rechte Maß ist doch immer das Maß aller guten und gesunden Dinge, oder?
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