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Leben

Essen zubereiten ist Selbstfürsorge. Doch die meisten haben es verlernt, sagt Ayurveda-Koch Volker Mehl. Er bringt Menschen bei, welche Nahrung guttut.

Sie sind in Mannheim aufgewachsen, weit weg von Indien. Wie kommt man da auf Ayurveda?

Ich war 13 Jahre alt, da erkrankte mein Vater schwer, es wurde Knochen- und Blutkrebs diagnostiziert. Sein Glück damals war, dass er von einem Kassenarzt behandelt wurde, der auch alternative Heilmethoden wie TCM und die Arbeit einer russischen Geistheilerin in seine Behandlung einfließen ließ.


Glück? Hat dies Ihrem Vater geholfen?

Statt sechs Monate, wie von den Ärzten vorhergesagt, lebte mein Vater noch elf Jahre. Ich war immer mal wieder bei seinen Behandlungen dabei und sehr fasziniert davon. Ich habe die Wirkung hautnah miterlebt und dadurch angefangen, mich für tibetische und schamanische Medizin zu interessieren. Dabei fehlte mir jedoch immer der ganzheitliche Aspekt.


Wo haben Sie diesen dann gefunden?

Im Ayurveda, denn es funktioniert einfach, auch ohne Glaubenssätze. Im Ayurveda wird die Selbstheilung des Körpers unterstützt und aktiviert. Die Basis dafür bilden 5.000 verschiedene Heilkräuter. Es wird zwischen wärmenden und kühlenden Lebensmitteln, Gewürzen und Kräutern unterschieden und darauf eingegangen, wie diese feinstofflich auf die verschiedenen Gewebe und auf die Psyche wirken. Ayurveda ist eine hochkomplexe Medizin.


Und was passiert dann?

Ohne Ernährungsumstellung ist jede Therapie sinnlos, denn Kochen ist Medizin. Der Körper beziehungsweise der Stoffwechsel wird durch hochwertige Ernährung entlastet, somit verbraucht er nicht unnötig Energie für Verdauung. Wenn weniger Energie für die Verdauung verwendet wird, hat man mehr Energie für die Heilung. Die Verdauung ist hochkomplex und neben dem Denken das Anstrengendste, das der Körper zu leisten hat. Eine angemessene Ernährung ist deshalb die Basis von Ayurveda, etwa 80 Prozent der Therapie bestehen aus Ernährung und Lebensführung.


Sie haben sich daher auf die Ernährung spezialisiert …

Eine klassische Kochausbildung habe ich nicht gemacht, denn ich fasse kein Fleisch an, ich koche nur vegetarisch. In der Ayurveda-Ausbildung habe ich gemerkt, dass es nicht nur ums Kochen geht, sondern um alle Sinne. Diesen Zugang finde ich sehr schön. Farben, Düfte und Klänge sind eben auch wichtig.


Ist die Ayurveda-Küche immer vegetarisch?

Fleisch gehört in die Apotheke und nur in Ausnahmefällen, etwa bei einer starken körperlichen Schwäche, sollte Fleisch gegessen werden. Ich empfehle eine gewaltfreie Ernährung. Ich bin überzeugt, dass die Aggression des Schlachtens auf das Fleisch übergeht und somit auch auf den, der es verzehrt. Nahrung ist eine Manifestation von Stimmung und Emotion, dessen sollte man sich immer bewusst sein. Essen nährt nicht nur den Körper, sondern auch die Seele.


Ist fleischloses Essen somit automatisch gesünder?

Fleisch ist nicht immer böse und vegan nicht immer gesund. Smoothies und Chips sind auch vegan, aber für die Verdauung nicht gut. Alle meine Rezepte sind vegetarisch, jedoch nicht vegan, denn therapeutisch ist Ghee, also eine Art Butterschmalz, einfach das effektivste Fett, um Heilkräuter in den Körper einzubringen. Die Aufgabe des Ayurveda-Therapeuten ist es, den Körper zu nähren, wie man das mit dem Seelenheil macht, muss jeder selber wissen. Im Ayurveda gibt es keinen dogmatischen Zeigefinger, der mahnt, dass Veganer die Guten und die Fleischesser die Bösen sind, die in die Hölle kommen.


Was kommt in Ihrer Küche ebenfalls nicht auf den Teller?

Roher Knoblauch, rohe Zwiebeln und Pilze. Auch auf Essig und andere Substanzen, die Kalk entfernen, verzichte ich. Dazu gehört auch Zitronensäure. Ich meide auch bestimmte Kombinationen von Nahrungsmitteln: Milch und saure Früchte oder Bananen und Fleisch zum Beispiel. Solche Mischungen sind für den Stoffwechsel anstrengend oder kaum verdaubar.

essenKochen Sie zu Hause immer nach Ayurveda?

Es ist die Frage, wie man Ayurveda definiert. Warmes Essen ist für die Verdauung und den Stoffwechsel besser als kaltes und trockenes Essen, ob dies jetzt Omas Gemüsesuppe oder ein indisches Dhal ist, ist dann eigentlich egal.


Ist es schwierig, zu kochen?

Ayurveda ist in erster Linie das Bewusstsein, wie dein Körper funktioniert, eingebettet mit den Abläufen in der Natur. Der Körper und sein Stoffwechsel haben gewisse Erfordernisse und Funktionsweisen, die als Orientierung dienen. Es wäre falsch, zu denken, dass nur Indisches Ayurveda ist. Wir hier in Europa haben ebenfalls tolle Gewürze. Einfache Gemüsesuppen, so wie es sie bei der Großmutter gab, sind ein wunderbares Mahl für den Körper. Wer Smoothies gemeinsam mit einem Curry zu sich nimmt, macht sich hingegen den Darm kaputt.


Gibt es ein Grundprinzip?

Immer warm essen, auch im Sommer, denn der Stoffwechsel funktioniert ja immer gleich und unser Körper hat immer dieselbe Temperatur.


Wird bei uns so wenig warm gegessen?

Das ist bei uns im Zuge des sogenannten Fortschritts passiert. Keiner hat mehr Zeit, zu kochen, es muss alles schnell gehen, da ist eine Scheibe Brot oder etwas aus dem Tiefkühler sehr praktisch. Kochen wurde uncool. Und so wurden die Rezepte und das Wissen um Zutaten und ihre Zubereitung nicht mehr von Generation zu Generation weitergegeben. Wir wissen somit nicht mehr, was uns guttut. Für mich ist Kochen Hinwendung und Wertschätzung. Momentan orte ich aber auch eine Rückbesinnung.


Merken Sie das in den Kochkursen?

Meine Kursteilnehmer wollen wieder kochen lernen, ja, und sie wollen dabei etwas für ihre Gesundheit tun. Wenn man weiß, wie es geht, hat man auch Spaß dabei. Viele kennen die Grundlagen des Kochens gar nicht mehr, haben keine Ahnung, wie eine Gemüsesuppe gemacht wird. Die, die zu mir kommen, bringen das Interesse dafür mit.


Männer und Frauen gleichermaßen?

80 Prozent sind Frauen, 20 Prozent Männer, es ist also das genaue Gegenteil eines Grillworkshops. Es liegt aber auch in der Natur der Sache, weil das Thema Achtsamkeit, Hinwendung und Fürsorge ein Frauenthema ist. Bei Männern scheint das weniger stark ausgeprägt zu sein. Doch die, die da sind, sind immer mit Feuereifer dabei.

 

Wie binden Sie medizinische Aspekte ein?

Das Wissen um die richtigen Zutaten, Kräuter und Gewürze, aber auch die Art und Weise, wie etwas gekocht wird, fließen in meinen Kursen mit ein. Ich arbeite seit langem auch mit Ärzten und Therapeuten zusammen, denn es gibt nicht nur einen einzelnen Auslöser für eine Krankheit. Oft gibt es eine Vielzahl von Gründen für ein Leiden, deshalb braucht Heilung auch eine Vielzahl von Ansätzen. Ich sehe die Zukunft der Medizin so, dass Ärzte, Köche und Schamanen zusammenarbeiten. Doch auch die Menschen müssen einen Willen zur Veränderung und zur Heilung mitbringen. Für sich zu kochen und zu meditieren ist keine Folter, jeder sollte etwas Zeit in seine Gesundheit investieren. Für wirkliche Heilung und Spiritualität muss man manchmal auch dorthin schauen, wo es wehtut. Man kann es nicht immer umschiffen.


Schauen Sie bei sich auch dorthin, wo es wehtut?

Ja, ich bin mir meiner Themen bewusst. Es ist wie bei ‚Running Sushi‘. Die Themen kommen immer wieder. Mir hat Ayurveda geholfen, ich habe ein besseres Verständnis von mir und meinem Naturell entwickelt und gelernt, dass es gewisse Dinge gibt, die so sind, wie sie eben sind. Auch an mir selbst. Ich habe meine Themen, da spielen die Eltern, die Großeltern, das kulturelle und das soziale Umfeld und die Planetenkonstellationen eine Rolle. Jeder ist die Essenz aus vielen Dingen. Ayurveda hat mir ein Werkzeug gegeben, zu verstehen, dass es meine Natur ist.

Volker Mehl, geboren 1976, ist Ayurveda-Koch und Gesundheitsberater. Er ist Autor zahlreicher Bücher. www.volker-mehl.de, www.amritaayurveda.eu

 

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Fotos © Andreas Berthel

Ester Platzer

Ester Platzer

Ester Platzer, 1979, lebt in Wien und ist Mitglied der Chefredaktion bei Ursache\Wirkung. Davor lebte und arbeitete sie viele Jahre in Ostafrika. Ester absolvierte ihr Magisterstudium in internationaler Entwicklung an der Universität Wien.
Kommentare  
# Sabine M 2019-03-07 13:54
Gutes Essen ist Selbstliebe!
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