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Leben

Womit wachst du auf? Mit Schmerzen. Und du? Müde. Und du? Mit Schuldgefühl. Warum? Weil ich zu lang geschlafen habe. Und du? Erschöpft, weil ich in der Nacht stundenlang wach gelegen bin. Und du? 

Ach, ich weiß nicht, mir tut alles weh. Und du? Auf jeden Fall zu früh, mit Babygebrabbel ... Ach, wie schön! Und du? Was für ein Tag ist heute? Was habe ich zu tun?
Ich gehe in die U-Bahn-Station, da stehen zwei Frauen und halten Hefte vor ihrer Brust: Erwachet!
Die stehen schon jahrelang da herum. Ich habe noch nie gesehen, dass jemand stehen geblieben ist, um nachzufragen, wozu man denn erwachen soll. Die meisten von uns schlafen, wir merken es erst, wenn wir erwachen, sagen die weisen Schriften. Stimmt, es ist auch im ganz normalen, nicht erleuchteten Alltag so: Wenn ich schlafe, merke ich das nicht, außer ich träume luzid, aber wer kann das schon? Im Ayurveda ist der Schlaf Kapha bildend, das heißt, er stärkt das energetische Prinzip der Kraft, der Ausdauer, der Zuverlässigkeit, der Ausgeglichenheit, der Freundlichkeit und Liebe. Wenn wir zu lange schlafen, kann das Kapha in seine dumpfe Seite rutschen, in die Trägheit, die Sumpfigkeit und auch in die Gier, ins Festhalten. Sollten wir da nicht langsam doch aufwachen? Wenn wir schlecht oder zu wenig schlafen, steigt unser Vata, aber unser Vata steigt sowieso, wenn wir älter werden, wenn es draußen kalt und trocken ist, wenn wir zu
viel unterwegs sind, fliegen oder weil wir einfach in unserer Konstitution, also unserer Genetik, viel Vata haben. Mit diesem scharf wehenden Vata steigt die Schlaflosigkeit und mit ihr die Angst bis hin zur Panik, die Unruhe und Rastlosigkeit, Schmerzen und Kraftlosigkeit. Die langsame, unaufhaltbare Austrocknung der Zellflüssigkeiten bringt uns – neben anderem – die Altersprobleme, Osteoporose, Demenz, Alzheimer und wie sie alle heißen. Warum also, bitteschön, sollen wir uns noch zusätzlich ums Erwachen kümmern?

ErwacheUnsere Welt ist geprägt von immer neu erfundenen Rechten und natur- oder besser noch gottgegebenen Gesetzen. Aber die Natur verleiht keine Rechte, Vögel haben nicht das Recht zu fliegen, sie fliegen, weil sie flugfähige Flügel haben. Menschenrechte werden immer nach den jeweiligen Vorstellungen der herrschenden Klasse festgelegt, in ‚alten‘ Zeiten waren SklavInnen und Frauen absolut rechtlos, sie waren nämlich keine Menschen, sondern Eigentum des Herrn, sie fielen daher aus den jeweiligen Menschenrechten, sehr elegant, einfach raus. Dazu ein kleines Zuckerl: Die Vergewaltigung in der Ehe wurde in Deutschland erst 1997, in Österreich und der Schweiz noch später, als Straftat festgelegt! Heureka! Sollten wir angesichts der Weltlage nicht doch erwachen, nicht doch aufhören, wegzuschauen und unsere Augen zuzumachen und so zu tun, als ob wir schlafen? Nun, wir haben die Herbstschlachten hinter uns gebracht, meis
tens haben ‚die Rechten‘ (Männer) gewonnen. Bei uns in Österreich haben wir unsere Ehre gerade noch gerettet, wahrscheinlich, weil meine vierjährige Enkeltochter auch gewählt hat, sie hat auf den Einwand, dass sie das noch nicht dürfe, entgegnet: Da braucht man ja nur zwei Kreuzelstriche zu machen, das kann ich! Wie recht sie hat! Was ist nun recht? Wer hat nun recht? Die Rechten, die Linken, die Grünen, die Roten, die Blauen oder doch die Quergestreiften? Wer sind die Guten, wer die Bösen? Je nachdem, woher der Wind gerade weht, wie das Vata, das alle anderen Prinzipien vor sich hertreibt und immer wieder neu ‚ordnet‘, um es im nächsten Sturm schon wieder umzustürzen. Tja, so ist unsere duale Welt nun mal beschaffen: Rechts und Links, Gut und Böse, Arm und Reich ...
Mögen wir uns auf dem Pfad der Erleuchtung, des Aufwachens, aus diesem Schlamassel herausschummeln, mit Yoga oder Meditation, mit Religion oder Materialismus, mit Konsumismus, Kapitalismus oder sonst einem -ismus, und mögen uns die himmlischen Kräfte beistehen, im Klimawandel, in der Völkerwanderung und der Angst vor der ständigen Veränderung!


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 99 „Wach auf mit Yoga"

UW99 COVER


Renata Mörth, geboren 1945, ist Pharmazeuthin und Psychotherapeuthin und führt seit 1980 das Ayurverdahaus Nexendorf. 

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Renata Mörth

Renata Mörth

Renata Mörth, geboren 1945, ist Pharmazeuthin und Psychotherapeuthin und führt seit 1980 das Ayurverdahaus Nexendorf. www.ayuverda-verein.at  
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