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Leben

Der Weg zum tiefen Glück ist blockiert durch innere Widerstände. Der deutsche Zen-Meister erklärt, wie diese überwunden werden können, um die dahinterliegende Herzensweisheit zu finden. Glück bedeutet für einen Großteil der westlichen Gesellschaft, dass die Menschen Vorstellungen oder Ziele erreichen möchten.

In diesem Zusammenhang ist das Glück, das man vielleicht durch das Erreichen eines Zieles empfindet, kurz und vergänglich. Wir wollen uns mit dem, was uns gefällt, dem Verlangen, verbinden und uns von dem, was uns nicht gefällt, der Ablehnung, trennen. Glück ist nicht dauerhaft dadurch zu verwirklichen, indem wir Unglück vermeiden oder uns mit Vergänglichem dauerhaft verbinden.
In den meisten Büchern zu den Themen Glück und Spiritualität gibt es zwei Felder. Ich möchte gerne ein drittes Feld hinzufügen.

  1. Das äußere Glück, der Traum vom zukünftigen Glück
    Das äußere Glück, das verbunden ist mit unserer modernen Welt, bedeutet, dass die Menschen Glück nach außen gerichtet zu finden versuchen. Sie streben materiellen Fortschritt an, indem sie ihre Vorstellungen und Ziele realisieren.
  2. Das innere Glück, der Weg zum Glück
    Inneres Glück kann man durch Meditation und die Ausrichtung auf Erleuchtungsgeist in sich selber erlangen. Es ist ein spiritueller Weg, der nach innen gerichtet ist. Man könnte etwas kritisch sagen, inneres Glück ist der Zustand, den die sogenannte Happiness-Esoterik im Westen als Ideal ansieht. Glück im Inneren zu suchen kann man in diesem Sinne als den ersten Schritt, als Fortschritt bezeichnen, weil es ein Verständnis von innerer Entwicklung voraussetzt. Der erste fundamentale Quantensprung ist die Einsicht, dass Leiden oder Glück in mir selbst entsteht oder vergeht.
  3. Herzweisheit, der Weg im Glück
    In diesem Rahmen wird Glück jetzt wirklich spannend und tiefgreifend relevant, wenn wir das Wort Glück durch ein anderes, besser treffendes, ersetzen, nämlich den Begriff der Herzweisheit. Herzweisheit ist in diesem Sinne die wahrhaftige Einheit von Wesen und Welt.

Glück ist kein wirklich treffendes spirituelles Wort, sondern ein Wort unserer Zeit.


Herzweisheit ist ein Begriff aus dem Daishin-Rinzai-Zen, der Herz als eine spirituelle Einheitserfahrung voraussetzt, aber dort nicht stehen bleibt. Es bedarf eines weiteren Schrittes: Weisheit. Weisheit im Sinne von Natur und Wesensschau ist unabhängig vom Innen und Außen. Herz ohne Weisheit ist dumm, Weisheit ohne Herz verfehlt den Menschen. Herzweisheit ist die Einheit von Welt, Wesen und Wirklichkeit. Man kann sagen, dass dieses dritte Feld in erster Linie den Weg des Zen kennzeichnet. Das Ideal des Zen ist Kenshō (jap. 見性), das Erschauen des eigenen Wesens gleichermaßen wie daraus die kleine und große Natur unserer Welt. Dieser Weg zur Herzweisheit ist oft verbunden mit verschiedenen Wegabschnitten. Diese Phasen sind häufig verbunden mit großen Hindernissen auf dem Weg zur Erfahrung von unbedingtem Glück und Herzweisheit. Sie zeigen oft eine Veränderung des Übungsweges, der spirituellen Intention, Ausrichtung und Intensität. Erfolgt dies nicht, erlebt der Übende das Gefühl, nicht weiterzukommen, festgefahren zu sein, ja sogar eine Zunahme von Verstrickung und unheilsamen Gefühlen kann sich einstellen.

 

Erste Phase: Großes Nein
Am Anfang ist der Weg, nur zu wissen, was der Weg nicht ist. Das heißt, man kann aus dem momentanen Bewusstseinszustand nicht auf einen höheren schließen. Deshalb ist es auch am Anfang so schwer, weil man Unterschiedliches ausprobiert und oft enttäuscht wird. Das ist aber ein wichtiger Prozess auf diesem Weg und jeder muss durch diese Phase hindurchgehen, um voranzukommen. In diesem ersten Abschnitt wissen wir noch nicht, worum es genau geht und was uns wirklich helfen kann. Für den einen ist es möglicherweise eine Begegnung mit einer modernen Ausrichtung wie Achtsamkeitsmeditation, für den anderen ist es vielleicht Yoga. In dieser Phase wird oft vieles ausprobiert und das hat häufig zur Folge, dass wir natürlich auch alle möglichen Formen von Gefühlen, verbunden mit Bildern, Erwartungen und Enttäuschungen, bewältigen müssen.
Hier möchte ich etwas Wichtiges hinzufügen. Wenn jemand eine spirituelle Richtung beginnt und feststellt, dass sie nicht zu ihm passt, dann sollte er sich respektvoll und dankbar für die ersten Schritte von dieser verabschieden. Diese Phase lässt sich vergleichen mit der Suche eines Menschen in der Mitte des Großstadtwahns nach einem Weg in einen Wald der Stille: Er erkennt, dass der Weg weder im Bildband, noch in der Landkarte, noch in Google Maps stattfindet. Der Weggehende erkennt, was der Weg nicht mehr ist, und hat begonnen zu meditieren. Es gibt in dem Moment mehr Fragen und Zweifel als Antworten.

Herzweisheit ist in diesem Sinne die wahrhaftige Einheit von Wesen und Welt.


Zweite Phase: Großes Ja
In diesem Abschnitt spürt man den richtigen Weg ganz deutlich. Das kann vielleicht eine Person sein, die mit diesem Weg verbunden ist. Diese Person ist möglicherweise ein ideeller, nicht mehr lebender oder auch ein lebender Meister. Das Wichtigste an diesem Weg ist, dass dieser Buddha oder Meister den Menschen trägt, ihm dient und ihm nicht, im wahrsten Sinne des Wortes, im Wege steht. Herz ohne Weisheit ist dumm, Weisheit ohne Herz verfehlt den Menschen. Im Bild des Waldsuchenden: Ich habe von einem Nachbarn gehört, dass ganz in der Nähe von hier ein wunderschöner Wald sein soll.
Der Suchende macht sich auf die Suche nach seinem Weg.

 

Dritte Phase: Großes Hindernis
Auf dem Weg geht es auch darum, Hindernisse aufzulösen, die unsere spirituelle Entwicklung blockieren, hemmen oder stören. Bei traditionellen spirituellen Wegen wie Zen, Vajrayana oder Raja Yoga erleben wir häufig eine große Beschleunigung von Erfahrungen. Gleichzeitig bleiben nicht geheilte Verletzungen, Programme, auch Traumata aus unserer Kindheit oder Jugend verborgen und wirken weiter. Auch hier kann es zu einer Polarisierung kommen, die sich dann nur noch in uns abspielt: lichte Herzeinheitserfahrung oder klare Achtsamkeitswahrnehmung und gleichzeitig tiefe Trauer, Schmerz oder sogar Selbstentwertung. Oder das Gegenteil tritt ein: Selbstüberschätzung, zwanghafte Selbstdarstellung oder unsichtbare, aber wirksame Aggression. Hier bedarf es eines Innehaltens und intensiver Heilung. Tiefe Herzöffnung reicht hier nicht aus, wenn sie nicht mit Erdung verbunden ist, da sonst Bereiche in uns unsichtbar bleiben. Der Suchende kennt jetzt den Weg in den Wald, aber hundert und eine Sache lenken ihn ab, lassen ihn vergessen oder aggressiv abbiegen. Das Tor zum unbedingten Glück ist erkennbar, es ist Selbstheilung vom sichtbar oder unsichtbar Zwanghaften.

Es gibt keinen Weg zum Glück, Glück selbst ist der Weg.

 

 

 

Vierte Phase: Tiefe Einsicht
Der vierte Aspekt ist als die tiefe Einheit zu verstehen. Es gibt keinen Weg zum Glück, Glück selbst ist der Weg. Das bedeutet, dass das Leben selbst unmittelbar und in jeder Sekunde das Aufleuchten des Ganzen ist. Diese Freiheit von Vorstellung, Ich-Zwang und Projektionen, die uns immer versuchen, vom Leben selbst und der Wahrhaftigkeit zu trennen, wird dann als ein Glück erlebt, das einen plötzlich trägt und in der Wirklichkeit hält. Auf dem Zen-Weg hat nicht nur das Große, sondern auch das Kleine plötzlich etwas Wunderbares. Nicht das Wunder ist das Wichtige, sondern das Entdecken des Wunderbaren im Kleinen und Großen in unserer Welt.

Der Weggehende geht den Weg im Wald, zu Hause beschützt unter großen Bäumen, bezaubert von einem Stein am Wegesrand. Er erkennt sich und sein Leben.

 

Fünfte Phase: Kleines und großes Ankommen
Diese Phase ist keine Phase mehr, sondern das wunderbare Ankommen in seiner Welt. Der Weggehende entdeckt, dass hinter der Stille noch eine andere Stille ist. Dass die Glückseligkeit hinter dem Glück, das Licht hinter allen Lichtern, das, was in allem aufleuchtet, das Eine und dennoch das Keine ist. Das ist der große Schritt in die Freiheit. Es ist die Freiheit von etwas, inmitten dieser dynamischen Welt.

Ich gehe in den Wald, keiner ist mehr da.
Du bist das Licht, ruhe in dir selbst, sonst Nichts.
Heißes Wasser in die Kanne, der Tee ist bereit, Morgensonne im Wassertropfen.

 

Zen-Meister Hinnerk Syobu Polenski ist ordinierter Mönch und Mitglied des Hokoji-Rinzai-Ordens sowie des Syoko-ji in Japan. ‚Syobu' ist sein Dharma-Name, der ihm von Zen-Meister Oi Saidan Roshi 1992 gegeben wurde. Polenski praktiziert seit 38 Jahren den Zen-Weg. Er ist Dharma-Nachfolger (Inka) für Dashin-Rinzai-Zen von Reiko Mukai Roshi. Er gründete gemeinsam mit seinem Lehrer Reiko Mukai die Daishin-Zen-Linie.

 

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Kommentare  
# Susi 2017-12-18 10:14
Ich finde unglücklich sein so viel einfacher als glücklich sein - aber der weg ist hier das Ziel meiner Meinung nach. Man soltle versuchen zu akzeptieren was man nicht ändern kann und dankbar für das zu sein was man hat :)
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# Uwe Meisenbacher 2019-05-20 11:14
Hallo Herr Polenski,

Ihr Artikel ist ein zutreffender Aufklärungsbeitrag. Danke dafür!

Eine der Hauptursachen für das Leid und nicht glücklich und zu-
frieden zu sein in unserem Leben ist das Beharren auf unserer Vorstellung, wie die Dinge zu sein haben.

Wenn wir bekommen, was wir wollen, ist es meistens doch nicht genug. Unser Geist hält dauernd nach Dingen Ausschau, die er zusätzlich zu brauchen meint, um sich ausgefüllt und zufrieden zu sein.
Aus diesem Grund ist er meistens nicht lange zufrieden damit, wie die Dinge sind, selbst dann, wenn eigentlich alles ganz erfreulich und harmonisch ist.
Darüber sollte sich jeder Mensch immer wieder, durch achtsame Selbst-
wahrnehmung auf die eigenen Gedanken und Gefühle, in Erinnerung bringen, wenn er nicht glücklich und zufrieden ist.
Natürlich gibt es in Leben immer wieder Gründe das der Mensch unzufrieden ist. Aber es sind oft unvermeidbare Gründe, die in der Lebensrealität jeden Menschen treffen. Dazu ist der Mensch, wenn er
will, in der Lage, vermeidbare zusätzliche Dramatisierungen daraus zu
machen.


Mit freundlichen, aberglaubensfreien, heilsamen, buddhistischen Grüßen

Uwe Meisenbacher
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