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Leben

Der New Yorker Psychoanalytiker David Grand erprobte seine Methode bereits an Opfern von 9/11 und des Hurrikans Katrina in New Orleans. Wieso Brainspotting sowohl Schauspielern und Leistungssportlern als auch depressiven Menschen und Phobikern helfen kann. Der neue Therapieansatz Brainspotting soll besonders dazu geeignet sein, Traumata aufzulösen.

Was ist unter Brainspotting zu verstehen?

Brainspotting ist eine Methode zur Verarbeitung von Traumata. Bei einer seelischen Erschütterung passiert im Gehirn etwas Außergewöhnliches: Das Trauma wird in einer Art Kapsel verschlossen, damit das Gehirn normal weiterarbeiten kann. Wir können den Brainspot anhand von reflexartigen Reaktionen im Gesicht lokalisieren und gezielt stimulieren, um so das Trauma freizusetzen und dabei zu helfen, es ohne Retraumatisierung zu verarbeiten.

 

„Wohin wir blicken, beeinflusst, wie wir uns fühlen."

 

Was bezeichnet der Terminus Brainspot?

Wichtig ist zu wissen: Das, wohin wir blicken, beeinflusst, wie wir uns fühlen. Ein Brainspot ist ein bestimmter Punkt im Gesichtsfeld, der mittels langsam geführter Augenbewegungen lokalisiert wird, bis die Augenposition für das zu verarbeitende Thema gefunden worden ist. Diese können wir durch Reaktionen des Körpers – natürliche Reflexe wie Zuckungen, Blinzeln, starrer Blick, Stirnrunzeln, Niesen, Räuspern, Husten, Gähnen und vieles mehr – ausfindig machen. Durch die Augenfixierung kommt es zu einer unmittelbaren Verschiebung nach innen. Der zu verarbeitende traumatische Inhalt öffnet im Gehirn gewissermaßen eine ‚Kapsel', die das unverarbeitete Material beinhaltet.
Es gibt verschiedene Methoden, um die Augenposition zu bestimmen: das äußere Fenster, also dem Patienten in die Augen schauen; das innere Fenster, wobei der Therapeut vom Klienten angesehen wird; Brainspotting mit einem Auge; das sogenannte ‚Ins-Narrenkastl-Schauen' oder ‚Gaze-Spotting'; Rollendes Brainspotting und Z-Achsen-Brainspotting. Diesen Punkt ohne Hilfe zu finden ist äußerst schwer.

Sie benutzen das Wort ‚Kapsel'. Was ist in dieser enthalten?

Alles, was der Patient im Moment des Traumas gefühlt, erlebt, gesehen und gedacht hat. Das Gefühl wird im Laufe der Zeit immer stärker, es wächst. Deswegen hat man auch das Gefühl, dass ein Kindheitstrauma im Erwachsenenalter viel schlimmer ist, als es damals gewesen ist.
Viele vergessen jedoch, dass ein Trauma auch ein Teil des Lebens ist und dieser Teil wird auch verkapselt. Das kann zu zahlreichen physischen und psychischen Krankheiten führen oder auch zu immer wiederkehrenden Problemen in der Partnerschaft.

Wie haben Sie Brainspotting entwickelt?

Entdeckt habe ich es, als ich gerade an einer Variante von EMDR (= Eye Movement Desensitization and Reprocessing) arbeitete. Ich beschäftigte mich damals mit einer sechzehnjährigen Meisterschafts-Eiskunstläuferin, als mir zum ersten Mal eine solch starke Reaktion der Augen auffiel. Ich bat sie, sich dieser Reaktion bewusst zu werden, und in den darauffolgenden Minuten fing sie an, Bilder von vergangenen Ereignissen vor ihrem inneren Auge zu sehen.

 

„Ein guter Therapeut ist ein guter Detektiv."

 

Seit wann verwenden Sie es als Behandlungsmethode?

Wie gesagt, die Eiskunstläuferin war mein erstes Erlebnis. Das war 2003, seitdem habe ich viele neue Elemente zur Behandlung mit Brainspotting entwickelt. Das Tolle an diesem Verfahren ist, man kann es einfach mit anderen therapeutischen Ansätzen kombinieren und somit dem Klienten eine maßgefertigte Therapie anbieten.

Bei welchen Arten von Traumata ist diese Methode hilfreich?

Bei vielen Arten – bei physischen, psychischen, emotionalen oder sogar pränatalen Traumata. Je früher uns ein Trauma im Leben trifft, umso mehr beeinflusst es dieses auch. Jeder Menschen geht anders damit um, weswegen es Personen gibt, die nicht oder nur schwer damit zurechtkommen. Wir haben auch erstaunliche Erfolge bei der Behandlung von Phobien festgestellt.

 

„Je früher uns ein Trauma im Leben trifft, umso mehr beeinflusst es dieses auch."

 

Viele Menschen sind sich gar nicht bewusst, dass sie ein Trauma erlebt haben. Wie kann ihnen dann der Therapeut helfen, es zu bewältigen?

Ich sage immer: Ein guter Therapeut ist ein guter Detektiv, denn wenn er mit seinem Patienten spricht, hat er auch einen Fall zu klären, weil er nämlich herausfinden muss, worin das Problem liegt. Mit Brainspotting schaffen wir es, gleichsam den gesamten Lebensverlauf des Menschen zu sehen. Das gelingt uns, indem wir die Kapseln suchen und sie sich während des Brainspottings öffnen.

Demnach kann es bei einer bestimmten Bewegung passieren, dass man sich an ein unverarbeitetes Trauma erinnert?

Genau das ist die Kernaussage von Brainspotting. Die meisten Bewegungen und reflexartigen Reaktionen führen wir unbewusst durch, das erschwert es, bei sich selber einen Brainspot zu finden.
Einmal kam eine Leistungssportlerin zu mir, weil sich ihre Leistungen zunehmend verschlechterten. Ich erklärte ihr, dass all ihre seelischen und körperlichen Verletzungen, die bei Sportlern täglich vorkommen, im Gehirn gespeichert werden. In der Sprachtherapie stellte ich dann fest, dass sie immer in eine bestimmte Richtung schaute. Ich bat sie also, bewusst in diese Richtung zu blicken und mir zu erzählen, was vor ihrem inneren Auge auftauche. Sie berichtete von schlimmen Kindheitserinnerungen, von ihrem Gefühl, von der eigenen Mutter nicht geliebt zu werden, von der Scheidung ihrer Eltern. Wir besprachen das und ich half ihr dabei, es zu verarbeiten. Am nächsten Tag passierte dann das Unerwartete: Sie erbrachte eine Leistung wie schon lange nicht mehr.

 

„Brainspotting kann überall eingesetzt werden, wo es um das menschliche Gehirn geht."

 

Nachdem der Brainspot und die dazugehörende Körperwahrnehmung aktiviert worden sind, was passiert dann mit dem Klienten?

Es folgt ein intensiver Verarbeitungsprozess. Mit Hilfe eines Therapeuten wird dann versucht, die Aufmerksamkeit auf die innere Wahrnehmung zu lenken, also eine Selbstwahrnehmung. In diesem Stadium wirkt alles, was in dieser Kapsel war, wieder auf den Patienten ein. Alle Bilder, Gefühle, Gerüche, Gedanken werden wieder wahrgenommen und sollen auch dem Therapeuten erzählt werden. Die Therapie dauert so lange, bis der Patient sich von dieser Last befreit fühlt.

Wie viele Sitzungen benötigt man, um ein Trauma zu verarbeiten?

Das kann man pauschal nicht sagen, denn jeder Mensch ist anders. Im Sinne des Patienten hoffe ich immer, dass nur wenige Sitzungen benötigt werden. Mit Brainspotting geschieht es jedenfalls wegen der direkten Verarbeitung im Unbewussten ungewöhnlich rasch.

Können achtsame Menschen das auch alleine schaffen?

Theoretisch könnte jeder es schaffen, diesen Weg zu beschreiten. Brainspotting wurde jedoch nicht dafür konzipiert. Ich finde es wichtig, diesen Weg gemeinsam mit einem Therapeuten zu gehen, da man sich nicht zu 100% sicher sein kann, was die Folge ist, also wie schlimm die Erinnerung ist, die dann hochkommt. Ein Therapeut kann dem Patienten helfen, besser damit umzugehen, als man es alleine könnte. Achtsame Personen haben es jedoch leichter, mit Hilfe des Therapeuten ihren Brainspot zu finden.

 

Kann Brainspotting auf allen Gebieten angewendet werden?

Brainspotting kann überall eingesetzt werden, wo es um das menschliche Gehirn geht, wo es gilt, Konflikte zu lösen. Aber nicht nur dort, wir können es auch einsetzen, um Talente oder besondere Fähigkeiten zu lokalisieren und zu verbessern.
Ich wurde einmal beauftragt, mit Schauspielern zu arbeiten, um sie auf eine bestimmte Rolle vorzubereiten. Ich musste also damit beginnen, den Brainspot für die besagte Rolle zu finden, also ließ ich sie ihr Stück spielen. Als ich dann ihren Brainspot gefunden hatte und wir das gemeinsam in der Sprachtherapie ausgearbeitet hatten, standen sie als andere Menschen auf der Bühne. Sie waren plötzlich eins mit ihrer Rolle. Meine Aufgabe in dem Fall war es nicht, Probleme zu lösen und Traumata aufzuarbeiten, sondern die Stelle in ihrem Gehirn zu finden, an der diese Rolle lokalisiert ist. In jedem von uns stecken verschiedene Rollen; die meisten glauben, es handelt sich dabei um die alltäglichen Rollen wie die der Mutter und Hausfrau, doch in uns steckt noch viel mehr. Mittlerweile kamen auch schon große, bekannte Schauspieler zu mir, um mich um Hilfe zu bitten.
Auch in der Sportpsychologie kann man Brainspotting einsetzen, um Leistungsblockaden zu lösen. Wir können nicht nur die Blockade lösen, sondern erreichen dadurch, dass ein höheres Leistungsniveau erreicht wird.

 

„Nachdem der Brainspot und die dazugehörende Körperwahrnehmung aktiviert worden sind, setzt für den Klienten ein intensiver Verarbeitungsprozess ein."

 


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 87 „Tantra"

Brainspotting


Wie sehen Sie die Zukunft von Brainspotting?

Es handelt sich um ein relativ junges Verfahren, aber ich glaube, dass immer mehr Menschen es ausprobieren werden. Jeder ist auf die eine oder andere Art und Weise belastet und mit dieser Methode bedarf es weder eines operativen Eingriffs noch einer Medikation. Wir arbeiten zurzeit an einigen Studien, die das auch belegen können. Nicht nur das, ich habe seit 2003 weltweit 18 Brainspotting-Lehrer ausgebildet, die selber weiter ausbilden, um diese Methode überall anbieten zu können. Mir war es wichtig, dass es ein internationales Verfahren wird, damit wirklich jeder, der Hilfe benötigt, diese auch erhalten kann. In den asiatischen Ländern geht es relativ langsam voran, da diese nicht so offen sind wie andere Länder, aber wir erleben dort auch schon einen Zuwachs.

 

David Grand erlernte nach seiner Ausbildung zum Psychoanalytiker bei Francine Shapiro EMDR und später bei Peter Levine Somatic Experiencing. Er ist der Entdecker und Entwickler von Brainspotting. Grand gilt als Experte für Traumapsychotherapie. Nach dem Hurrikan Katrina arbeitete er vor Ort mit Opfern, worüber auch eine Dokumentation gedreht worden ist. Heute betreibt er eine Praxis in New York, leitet Ausbildungsseminare zur Traumabehandlung in den USA, in Europa, Asien, Südafrika, im Mittleren Osten und in Südamerika.
Christina Klebl

Christina Klebl

Christina Klebl, 1979, ist ehemalige Chefredakteurin von Ursache\Wirkung. Sie hat Psychologie an der Universität Wien studiert, leitet das Seminarzentrum im Mandalahof und ist Geschäftsführerin des Radiologieinstitut  Bellaria.
Kommentare  
# Philipp P. 2016-01-21 16:20
Ich habe schon vor Jahren DAvid Grand's Arbeit verfolgt. Spannende Ansätze hat er alle mal, wobei ich nicht glaube dass man sie auf alle Ängste umlegen kann.
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