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Diskurs

Vertrauen ist etwas Erstaunliches. Es macht aus einer Ansammlung von Ichs ein Wir und ist damit die unverzichtbare Basis für jede Art von Zusammenhalt und Kooperation. 

Ohne Vertrauen wäre eine Organisation weder arbeits- noch überlebensfähig. Vertrauen ist der unentbehrliche Nährboden für gemeinschaftliches Leben und gesundes Wachstum, egal, ob im privaten oder im beruflichen Kontext.Für OrganisationsentwicklerInnen sind die konkreten Auswirkungen von Vertrauen auf Zusammenarbeit und Produktivität nicht zu übersehen.

In vertrauensbasierten Organisationskulturen wirken MitarbeiterInnen tendenziell zufriedener als in kontrollorientierten Unternehmen. Sie sind motiviert, eigenverantwortlich zu handeln und ihre Sichtweisen produktiv einzubringen. Ist das Vertrauen stark, fühlen sich die Menschen mit ihren KollegInnen verbunden und haben Freude daran, miteinander das Erreichte zu verbessern und Weiterentwicklung voranzutreiben.
In solchen Organisationen begegnen wir einem hohen Grad an Identifizierung mit der eigenen Aufgabe, den gelebten Werten und der Organisation als Ganzes. Und nicht zuletzt bindet Vertrauen die KundInnen und hilft, das Überleben in volatilen Märkten zu sichern.
Für uns als systemische UnternehmensberaterInnen ist die Zusammenarbeit in vertrauensorientierten Kulturen immer wieder geprägt von Kreativität, der Lust am Finden von innovativen Lösungen und dem gemeinsamen Wachsen und Lernen aus Fehlschlägen. Viele Gründe also, die Auseinandersetzung mit diesem Thema zu vertiefen.

Die Geburt einer Formel
Als wir eines Tages zum Thema Vertrauen in Organisationen ein Quadrat aus Malerkrepp in die Mitte unseres Arbeitsraumes klebten und uns hineinsetzten, sprudelten uns Begriffe durch den Kopf, die wir auf Post-its schrieben und damit unseren imaginären Raum befüllten. Dann machten wir uns daran, die Begriffe nach Ähnlichkeiten zu sortieren. Aus unzähligen Wortzetteln kristallisierten sich schließlich zwei große Themenfelder heraus, die sich mit den Begriffen Verbundenheit einerseits und Klarheit andererseits zusammenfassen ließen. Als wir ein paar Tage später den Output unseres Treffens noch einmal durchgingen, entdeckten wir auf einem Zettel einen hingekritzelten Satz, der aussah wie eine mathematische Formel:

Verbundenheit x Klarheit => Vertrauen

„Verbundenheit mal Klarheit führt zu Vertrauen.“ Das ist es! Wir fühlten uns sofort von dieser Formel in den Bann gezogen und uns war klar, dass wir diesem Zusammenhang weiter auf den Grund gehen wollten. Wie hängen Verbundenheit und Klarheit zusammen und wie wirken sie sich auf das Vertrauen in Organisationen aus? Da Begriffe wie Verbundenheit und Klarheit ohne Kontext vage bleiben, wollen wir in einigen Arbeitshypothesen definieren, wie wir diese Begriffe im Kontext von Organisationen verstehen.

Verbundenheit
In Gedanken benennen wir bruchstückhaft, was wir wahrnehmen. Wir treffen eine Wahl und konstruieren Unterscheidungen, die notwendig und praktikabel sind, um mit anderen zu kommunizieren. Daraus kann aber auch ein Gefühl der ‚Getrenntheit‘ entstehen, vor allem dann, wenn wir an die Richtigkeit unserer ausgedachten Wahrheiten glauben und uns von denen anderer distanzieren, weil wir sie für die falschen halten. Dieses Gefühl einer Trennung existiert aber nur in unseren Köpfen. Das Leben selbst kennt kein Entweder-oder, sondern nur die unendliche Vielfalt komplexer Zusammenhänge, die wir mit unserem begrenzten Denken nicht erfassen können.
Alles, was existiert, spiegelt sich in uns wider und ist damit ein Teil von uns selbst. Es beinhaltet sowohl den endlosen Reichtum an potenziellen Möglichkeiten als auch die Bürde maximaler Verantwortung. Wir sind in der Welt und die Welt ist in uns. Diese fundamentale Verbundenheit ist aus unserer Sicht nichts, das hergestellt werden müsste. Sie ist einfach da – wie die Luft, die wir atmen. Verbundenheit mit dem Leben ist die Quelle für Inspiration und Schöpfung. Sie bildet das tragende Fundament von Organisationen. Verbundenheit braucht einen Raum, der offen, frei und geschützt ist, in dem ausgesprochen werden darf, was tatsächlich wahrgenommen wird. Echte Verbundenheit wird erfahrbar, wenn sein darf, was ist, und nicht gespielt wird, was sein soll.

Klarheit
Jeder wahrnehmbaren Gestalt, jeder erkennbaren Form geht eine fundamentale Entscheidung voraus: die Unterscheidung, was es ist, von dem, was es nicht ist. Klarheit bedeutet für Organisationen transparente Kommunikation über die wahrgenommenen Unterscheidungen und die daraus abgeleiteten Entscheidungen. Organisationen kann man nicht anfassen, denn sie existieren nur in unseren Köpfen. Erst die gelungene Verständigung über eine konstruierte Organisationswirklichkeit lässt in Menschen das Bild einer Organisation entstehen. Klarheit erschafft eine Wirklichkeit, die es ohne sie nicht gäbe. 

Wie Verbundenheit und Klarheit zu Vertrauen führen
Verbundenheit und Klarheit bedingen einander: Aus der formlosen Verbundenheit entsteht eine Form der Klarheit, welche sich wiederum in die Verbundenheit ‚verlieren‘ kann, um in weiterer Folge als erneuerte Form wieder Klarheit zu geben. Dieser fortwährende Fluss aus der Formlosigkeit in die Form und wieder zurück ist die basale Bewegung der Erneuerung und die grundlegende Voraussetzung für ein tragfähiges und stabiles Vertrauen. Organisationen sind lebendige soziale Systeme, in denen unterschiedliche Teile für die Erfüllung eines gemeinsamen Zwecks zusammenarbeiten. Sie müssen sich kontinuierlich an ihre veränderlichen Umwelten anpassen. Überlebensfähige Organisationen ‚gebären‘ sich immer wieder selbst. Diese vitale Selbsterneuerung gedeiht wie eine Eltern-Kind-Beziehung am besten in einem schützenden Vertrauensraum, aufgespannt auf der Basis von Verbundenheit und Klarheit. Vertrauen braucht sowohl den geschützten Möglichkeitsraum der Verbundenheit als auch die Klarheit über die Unterscheidungen und Entscheidungen, die eine Organisation erst zu einer Organisation machen. Geht die Verbundenheit verloren, sind der Bezug zum Leben und der menschliche Zusammenhalt in der Organisation gefährdet. Es droht der innere Zerfall. Fehlt es wiederum an Klarheit, verliert die Organisation ihre Orientierung. Das Verhalten der MitarbeiterInnen ist dann nur schwer zu synchronisieren, was das Erfüllen eines gemeinsamen Zwecks verkompliziert und ineffizient macht. Es droht das Chaos. Um das Thema weiter zu vertiefen, erstellen wir eine Matrix, die unseren Blick für diese Abhängigkeiten und ihre Bedeutung in Organisationen verdeutlicht.

Die Vertrauensraum-Matrix

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Verschiedene Kulturtypen und der stabile Vertrauensraum

Betrachtet man die Vertrauensformel als eine zweidimensionale Matrix, breitet sich ein stabiler Vertrauensraum in jener Fläche aus, wo sowohl hohe Verbundenheit als auch viel Klarheit zu finden sind. Dies ist nicht der Fall, wenn nur eine der beiden Qualitäten ausreichend oder gar im Überfluss vorhanden ist. Man kann hier zwei archetypische Kulturräume skizzieren, die bei der Vertrauensbildung entweder vornehmlich Verbundenheit oder vor allem Klarheit fokussieren und dadurch anfällig werden für Verunsicherung und Misstrauen durch die Vernachlässigung der jeweils anderen Qualität. Kulturen wiederum, die ihr Schwergewicht auf der Seite der Verbundenheit haben, fassen wir hier unter dem Begriff Gesinnungskulturen zusammen. Kulturen, deren Gewichtung vorwiegend auf der Klarheit liegt, bezeichnen wir als Regulativkulturen. Natürlich wird es wenige Organisationen geben, die eindeutig der einen oder anderen Seite zuzuordnen sind. Wir nutzen diese Unterscheidung jedoch, um die charakteristischen Muster, Stärken, aber auch die möglichen Fallen zu beschreiben und somit besprechbar zu machen. Diese beispielhaften Kulturen setzen bei aller Ausprägung der dominanten Qualität doch immer auch ein Grundausmaß der jeweils anderen Qualität voraus. Sollte diese eine kritische Mindestschwelle nicht überschreiten, gehen Fallen auf, die die Organisation lähmen können beziehungsweise dysfunktional werden lassen.

Wir können drei typische Arten von Fallen beobachten: diejenigen, die eine Organisation in einen Kampfmodus versetzen, andere wiederum, die zu Trägheit führen, und schließlich solche, die eine Ideologie zum Maß aller Dinge werden lassen.

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Gesinnungskulturen
Eine Kultur, in welcher eine hohe Verbundenheit, aber wenig Klarheit zu finden ist, wollen wir Gesinnungskultur nennen. Hier ist das Gefühl der Zugehörigkeit groß. Es können sich beispielsweise NGOs, aber auch familien- oder gründergeführte Organisationen in diesem Kulturraum aufhalten.
Der hohe Grad an Verbundenheit kann sich in unterschiedlichen Formen manifestieren:

• Bekenntnis zur Mission. Die gemeinsame Mission dient als leuchtender Leitstern, die MitarbeiterInnen brennen dafür. Das Scheinwerferlicht fällt auf das, was persönlich wichtig ist.
• Loyalität zur Organisation. Sie kann sich über Generationen halten, persönliches Bekenntnis und Selbstverpflichtung sind keine leeren Floskeln, sondern gelebte Alltagsrealität.
• Zusammenhalt und Nähe. Von Freundeskultur bis zum Gefühl einer großen Familie stehen das ‚Wir‘ und ‚Was wir tun‘ im Vordergrund. Der gemeinsame Geist ist allgegenwärtig, getragen von starken informellen Netzwerken.

Woran es einer Gesinnungskultur mangeln kann, ist Klarheit. Dieses Defizit kann sich in verschiedenen Ausprägungen bemerkbar machen. Die Richtung etwa, in die sich die Organisation bewegt, könnte bloß individuell ausgelegt sein, anstatt klar und explizit formuliert zu werden. Oder es richten sich alle Beteiligten die Organisation nach ihren subjektiven Bildern und Vorstellungen her, sodass sie für jeden ‚meine Organisation‘ ist. Es können selbstreferenzielle Systeme entstehen – mit wenig Raum für fokussiertes Handeln. In sich wiederholenden internen Feedbackschleifen entkoppelt sich dann die Organisation allmählich von der Außenwelt und der Druck zu konformem Denken und Verhalten kann allgegenwärtig werden.

Modus Trägheit: Harmonie

Man fühlt sich wohl und bestätigt in seinem Tun, lässt sich in der Komfortzone treiben, in dem Bewusstsein „Wir sind die Guten“. Niemand weiß mehr, wie bei einem Problem nach einer Lösung gesucht werden kann. Es wird viel ge- und zerredet. Die Organisation bezieht sich vor allem auf sich selbst. Ist eine Person von einem Problem persönlich betroffen, versucht das soziale System, dies auszugleichen. Das führt in vielen Fällen dazu, dass keine eindeutigen Entscheidungen getroffen, sondern Kompromisse gefunden werden. Konflikte werden nicht ausgetragen, sondern schwelen vor sich hin. Als Kompensationserscheinung entsteht eine Kultur der passiven Aggression. Lächeln kann zur Waffe werden. Rollen werden nicht klar definiert beziehungsweise nicht entsprechend gelebt und vermischen sich mit der eigenen Identität und dem Selbstwert. Negatives Feedback oder Rückschläge können schwer verkraftet werden, vieles wird persönlich genommen. Das Risiko für Burn-outs ist hoch. Ausschlüsse aus dieser Gemeinschaft sind existenzbedrohend und Abschiede laufen dramatisch ab.

Modus Ideologie: Moral

Wir finden hier eine moralisch aufgeladene, stark bewertende Kultur, die sich zunehmend abschottet. Wer ist auf der richtigen, wer auf der falschen Seite? Man folgt unreflektiert einem Glaubensführer, dem ‚Hüter des Spirits‘, der die Antwort kennt. Abschiede werden sozial bestraft beziehungsweise laufen traumatisch ab. Entscheidungen werden gar nicht oder nicht transparent getroffen. Motivationen dafür können mitunter angstbesetzt sein. Angst taucht auf vor dem Ausschluss aus dem sozialen System, Angst vor Konflikten mit informell einflussreichen Personen oder einfach die Angst, anderen wehzutun. Die Grenzen, welches Verhalten in der Zusammenarbeit gewünscht beziehungsweise erlaubt ist und welches nicht, sind verwischt oder nicht klar gezogen – mit der Folge nicht offen ausgetragener Konflikte, die verborgen sein können im Dunkel latent passiver Aggression.

Modus Kampf: Zugehörigkeit

Aus der Gesinnungskultur heraus kann der Verlust von Klarheit und Einfachheit direkt zu einer Art Sippenhaftung führen: Man ist bereit, gemeinsam mit den ‚Stammeszugehörigen‘ in den Kampf zu ziehen. Die Führung hat nun keine Möglichkeit mehr, einzugreifen in Systeme, die sich selbst aufschaukeln. Getrieben von der Angst, aus dem Schutz des Systems zu fallen und ausgeschlossen zu werden, sucht man sich starke Clans. Stammesoberhäupter übernehmen die Führung der Organisation. Formelle Führungskräfte verlieren an Einfluss oder müssen sich den informellen Leitfiguren unterordnen. Was nicht zum eigenen System gehört, wird ausgeschlossen.

Um aus einer Gesinnungskultur heraus einen stabilen Vertrauensraum aufzubauen, braucht es:

• Ein klares Bild von der Vision und dem konkreten Zweck der Organisation
• Ein gemeinsames Verständnis der Bedürfnisse aller relevanten Stakeholder
• Klare Entscheidungen
• Explizite und transparente Spielregeln
• Klarheit über Rollen und Verantwortlichkeiten
• Klarheit über Grenzen und Konsequenzen bei Grenzüberschreitungen
• Eine Plattform für regelmäßiges, ehrliches Feedback und zum Austragen von Konflikten
• Sicherstellung von Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit bei der Umsetzung

Regulativkulturen
In Organisationen mit viel Klarheit und wenig Verbundenheit wird eine Regulativkultur gelebt. Sie basiert auf festgelegten Normen, an die sich alle zu halten haben:

• Normen und Vorschriften, wie beispielsweise Strukturen, Standards, Zielsetzungen, Indikatoren, sorgen für Stabilität und Orientierung. Man hat das Gefühl, sich in seinem Bereich ‚auszukennen‘. Das schafft Sicherheit, man kann sich grundsätzlich darauf verlassen, dass auch die anderen wissen, was sie zu tun haben.
• Aufbau- und Ablauforganisationen sind nachvollziehbar, Hierarchien, Prozesse und Rollen sind hinreichend definiert.
• Vielfach ist auch transparent, wer wo und wann Entscheidungen trifft. Es wird nicht erwartet, dass man Entscheidungen außerhalb des eigenen Verantwortungsbereichs treffen muss. Das kann erleichternd wirken.
• Bis zu einem gewissen Grad kommt man hier auch gut mit Konflikten zurecht, solange sie im bekannten Rahmen bleiben.
• Transparenz ist oft eine Qualität in diesen Organisationen. Man findet sie in verwaltungsnahen Organisationen, zum Teil auch in großen internationalen Unternehmen und NGOs mit calvinistischer Prägung (zum Beispiel in der Schweiz, in Skandinavien, in den Niederlanden).

Was hier mitunter mangelhaft ausgeprägt sein kann, ist das Gefühl der Verbundenheit. Das kann negative Konsequenzen zur Folge haben. Beispielsweise könnten Systeme und Prozesse die Kontrolle übernehmen. Dann wird mehr geplant als getan. Typische Ausprägungen dieses Phänomens sind etwa ‚Dienst nach Vorschrift‘ oder das sogenannte Briefträger-Syndrom: „Ich gebe nur weiter, was von oben kommt.“ Wenn in einer Regulativkultur die Verbundenheit immer weiter in den Hintergrund rückt, kann die Organisation in eine Falle tappen. Sollte diese zuschnappen, bleibt wenig Luft zum Atmen und noch weniger Raum zur Entfaltung.

Modus Trägheit: Bürokratie

Kreativität und Querdenken sind hier, wenn überhaupt, nur soweit erwünscht, wie es die einzelnen Rollen zulassen. Alles, was neu oder anders ist, kann Unsicherheit statt Neugierde auslösen. Aus Angst, dass Neues das System behindern könnte, wird es gleich von Beginn an abgelehnt. Komplexe Indikatorensysteme, die das Erreichen von Zielvorgaben kontrollieren sollen, engen Handlungsspielräume ein. Viel Zeit wird investiert in das Erstellen interner Berichte. Häufig herrscht hier seitens der Führungskräfte eine defizitorientierte Feedbackkultur.

Modus Ideologie: Kontrolle

Hier stehen Prozesse, Strukturen und Prinzipien im Vordergrund. Ausnahmefälle sind unerwünscht, es bleibt kein Raum mehr für Härtefälle. Jeglicher Anflug von Kreativität wird im Keim erstickt, wenn er außerhalb der vereinbarten Norm passiert. Wir können hier Konkurrenzdenken als ein charakteristisches Merkmal beobachten, gefördert durch einen Mangel an persönlicher Aufmerksamkeit, an Zugehörigkeitsgefühl und Gemeinschaftssinn.

Modus Kampf: Macht

Schnelle Führungswechsel, sprunghafte, kurzfristig ausgelegte Entscheidungen und unvermitteltes Intervenieren ohne klaren Zusammenhang führen in einer Organisation schnell zu einem Verlust von Vertrauen. Aufgrund von Vertrauensverlusten geraten MitarbeiterInnen leicht in ein Abhängigkeitsverhältnis zu Einzelpersonen. Das kann sich beispielsweise darin zeigen, dass nur noch performt wird, um den Anforderungen der Mächtigen und nicht denen der Organisation gerecht zu werden.

Um sich aus einer Regulativkultur hin in den stabilen Vertrauensraum zu entwickeln, braucht es einen klaren Fokus auf:

• Eine geschützte Plattform, in der ein ehrlicher Austausch über die verschiedenen Wahrnehmungen erwünscht ist und nicht zensuriert wird
• Schaffung von lustvollen ‚Pionierräumen‘, in denen experimentiert werden und Neues entstehen kann
• Abgerüstete Kontrollsysteme, die sich auf die wesentlichen Indikatoren beschränken, unterstützt durch regelmäßige Feedbackschleifen
• Explizite Wertschätzung von Spaß und Freude bei der Arbeit
• Klar definierte Freiräume in Rollen, die Eigenverantwortung und Kreativität ermöglichen
• Einen offenen und lernorientierten Umgang mit Fehlern ohne Schuldzuweisungen
• Förderung des Teamgeistes, sodass sich Einzelkämpfertum nicht mehr lohnt
• Einen wertschätzenden und respektvollen Umgang auf Augenhöhe für alle

Der stabile Vertrauensraum

Unter einem stabilen Vertrauensraum verstehen wir eine Organisationskultur, in der sowohl Verbundenheit als auch Klarheit in hohem Maße gepflegt und gelebt werden.

• Hier gibt es ausreichend Raum für offenes und ehrliches Feedback. MitarbeiterInnen und Führungskräfte hören einander zu und versuchen, die unterschiedlichen Sichtweisen zu verstehen. Querdenken ist erwünscht, weil es die Wahrnehmung und Perspektivenvielfalt erweitert. Jeder hat eine Stimme, wird angehört und ernst genommen.

• Erst wenn ein Thema ausreichend verstanden worden ist, werden Entscheidungen getroffen, die der wahrgenommenen Realität aller Beteiligten so gut wie möglich gerecht werden. Entscheidungen dürfen und sollen immer wieder hinterfragt und verbessert werden. Dies geschieht aber ausschließlich in den dafür vorgesehenen Plattformen. Bis zur nächsten offiziellen Änderung sind sie gültig und für alle verbindlich.

• Getroffene Entscheidungen, geklärte Rollen und vereinbarte Spielregeln werden mit größtmöglicher Transparenz an alle Betroffenen kommuniziert. Jeder weiß, woran er ist, und kann sich darauf verlassen, dass Vereinbarungen auch wirklich eingehalten werden.

• Wenn es einmal nicht so gut funktioniert, wird offen darüber gesprochen. Es werden keine Schuldigen gesucht, vielmehr richtet sich der gemeinsame Fokus auf das kreative Suchen nach Lösungen und Verbesserungsmöglichkeiten.

Alle diese Punkte ermöglichen ein Gefühl starker Verbundenheit und großer Klarheit. Es sind wahrscheinlich die stärksten Führungsinstrumente, die einen stabilen Vertrauensraum in Organisationen aufbauen und halten können.

Umsetzung im Organisationsalltag

Wenn Sie herausfinden wollen, wie stabil der Vertrauensraum in Ihrer Organisation ist, probieren Sie es einfach aus: Positionieren Sie Ihre Organisation nach Gefühl in der Vertrauensraum-Matrix und hinterfragen Sie, ob die eine oder andere Hypothese, die wir hier vorgestellt haben, auch für Sie relevant ist. Sehen Sie Handlungsbedarf in die eine oder andere Richtung, ist es ratsam, mit Ihren Interventionen bei der Qualität zu beginnen, in der sich Ihre Organisation sicher fühlt.

Wenn Sie also den Eindruck haben, Ihr Unternehmen hat kein Problem mit der Klarheit, aber die Verbundenheit ist wenig ausgeprägt, ist es wichtig, zu Beginn sehr klar und strukturiert zu kommunizieren, was Sie aus welchen Gründen tun wollen und wie die konkreten Schritte hierfür aussehen werden. Würden Sie gleich mit Interventionen für Verbundenheit starten, ohne die MitarbeiterInnen mit Klarheit abzuholen, wären die Menschen vermutlich überfordert und hätten wenig Verständnis für den Sinn der Sache.

Umgekehrt gilt das auch für Organisationen, in welchen sich die Menschen stark mit Inhalten und geteilten Glaubenssätzen verbunden fühlen und ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Gemeinschaft und Harmonie haben. Hier würde ein Start mit ungewohnter Klarheit und Struktur zu Verunsicherung führen und die MitarbeiterInnen abschrecken. Es braucht zuerst einen sicheren Raum für Verbundenheit, um heikle und konflikthafte Themen besprechbar zu machen.

Fazit

Die Vertrauensformel ist ein Modell und nicht die Wirklichkeit. Wir verwenden sie als Diagnose-Instrument für Organisationen, um sich selbst einschätzen zu können und ein mögliches Ungleichgewicht schnell bewusst und bearbeitbar zu machen. Jede Organisation ist anders und so wird auch ein stabiler Vertrauensraum in verschiedenen Unternehmen unterschiedlich aussehen. Schablonen wären hier fehl am Platz. Aus unserer Sicht kann die Formel eine wertvolle Hilfe sein, um mit KollegInnen und MitarbeiterInnen gemeinsam über Verbundenheit und Klarheit nachzudenken und damit einen Raum für Vertrauen zu schaffen, der jede Organisation nachhaltig in die Zukunft trägt.

Britta AlbeggerfLuX (b.albegger@flux-development.net) und Bernhard Drumel (bernhard@drumel.org) sind systemische OrganisationsentwicklerInnen in Wien. Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit der Frage, welche Voraussetzungen Organisationen brauchen, um eine tragfähige Vertrauenskultur zu ermöglichen, und welche Bedingungen dazu führen, Vertrauen – oft unwissentlich – zu zerstören.
Kommentare  
# Sandra Ritter 2019-02-15 08:42
Verbundenheit zu und Vertrauen in die eigenen Mitarbeiter klingt schön, ist in der Realität leider sehr selten.
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