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Diskurs

Anlässlich des 57. Jahrestag des tibetischen Volksaufstands von 1959 trafen wir den Mönch und Friedensaktivisten Golog Jigme zu einem Gespräch.

Warum sind Sie heute in Wien?

Ich bin in Wien, weil die Situation in Tibet sich dramatisch verschlechtert hat. Die Tibeter in Tibet leiden sehr stark unter den politischen Repressionen der Chinesen. Ich habe diese Repressionen selber erlebt und darunter gelitten. Es gibt keine Redefreiheit, keine Religionsfreiheit und ich denke, es gibt nicht einmal Gedankenfreiheit. Es ist momentan unmöglich, die Menschenwürde in Tibet zu bewahren. Ich bin hier, um den österreichischen Bürgern die Situation in Tibet näherzubringen.

Können Sie uns erzählen, was Ihnen widerfahren ist?

Ich wurde in einer einfachen nomadischen Familie geboren. Ich betrachte mich selbst als gewaltfreien Freiheitskämpfer, ich bin ein sozialer Aktivist und mache auch Filme. Ich habe einen Dokumentarfilm, ‚Leaving fear behind‘, gedreht. Aufgrund dieses Filmes wurde ich von den Chinesen drei Mal verhaftet und während der Gefängnisaufenthalte gefoltert. Ich habe somit die chinesische Repression am eigenen Leib erfahren müssen.

Wovon handelt Ihr Film?

Mir ging es darum, in diesem Dokumentarfilm dem tibetischen Volk eine Stimme zu geben. Die chinesische Propaganda besagt, dass sie die Tibeter weitergebracht und Tibet weiterentwickelt haben und dass es dort Freiheit gibt. Wir haben die Tibeter zu Wort kommen lassen, um ihre Meinung zu hören sowie die Stimmung einzufangen. Wir wollten zeigen, dass die chinesische Propaganda nicht stimmt. In den Interviews kamen sehr klare Aussagen, es haben sich auch ganz einfache Tibeter gegen die Repression der Chinesen ausgesprochen. Sie erzählen, wie sich die Situation in Tibet verschlechtert hat, seit unser Land von den Chinesen kolonialisiert wurde.

Ihr Film beschäftigt sich auch mit den Olympischen Spielen, die 2008 in Peking stattgefunden haben. Warum waren die Spiele für Tibet von Bedeutung?

Ein Fokus des Filmes waren die Olympischen Spiele, die 2008 stattgefunden haben. Die Spiele stehen für Werte wie Gerechtigkeit, Freiheit und Fairness. Die Chinesen haben sie bewusst auch missbraucht für ihre politische Propaganda. Sie haben propagiert, dass die Tibeter und die Uiguren diese Werte genießen. Nachdem das International Olympic Commitee (IOC) die Spiele an China vergeben hatte, hat die Repression in Tibet und in den Gebieten, in denen die Uiguren leben, enorm zugenommen. Es war uns, wie gesagt, wichtig, die Meinung des tibetischen Volkes auch zu diesem Ereignis einzufangen und als Sprachrohr dienen zu lassen.

 

Golog

 

Im Jahr 2022 kommen die Olympischen Winterspiele wieder nach China. Wird dies eine Auswirkung auf das tibetische Volk haben?

Ich denke, es wird zu einer ähnlichen Situation führen wie damals 2008. Das tibetische Volk wird schon lange von China unterdrückt. Nach den Olympischen Spielen 2008 hat sich diese Repression drastisch verschärft. Es wurde alles schlechter anstatt besser, zum Beispiel wurde die Bewegungsfreiheit enorm eingeschränkt. Ich habe in der Schweiz an Protesten gegen die neuerliche Vergabe der Olympischen Spiele an China teilgenommen. Es war mir ein Anliegen, eine Botschaft auch an China zu senden, dass wir uns nicht unterkriegen lassen. Es war für mich sehr enttäuschend, dass das IOC die Versprechungen, die China 2008 gemacht hat, um die Olympischen Spiele zu bekommen, nicht kontrolliert hat, denn es gab für uns keine Verbesserungen, sondern nur Verschlechterungen. Ich habe das Gefühl, dass dies vom IOC nicht einmal bemerkt wurde, als würden sie nicht hören mit ihren Ohren und sehen mit ihren Augen. Ich frage mich, was für Interessen das IOC vertritt. Es hat mit der zweiten Vergabe einmal mehr bewiesen, dass es für andere Werte steht, als wir alle dachten. Es ist sehr bedauernswert, dass der wirtschaftliche Profit immer mehr im Vordergrund steht und die Beziehungen mit China immer enger werden. Das Leid der Tibeter und Uiguren wird einfach beiseitegeschoben, nur die Wirtschaft zählt.

Kommen wir zurück zum Heute, zum 57. Jahrestag des tibetischen Volksaufstandes gegen die Chinesen. Was für Veranstaltungen finden heute statt?

In Tibet habe ich beobachtet, dass vor allem an diesem Tag die Chinesen ihre Präsenz verstärken, auch militärisch. Sie blockieren auch oft das Internet. Es ist für mich momentan unmöglich, meine Freunde in Tibet zu erreichen. Die Chinesen versuchen zu verhindern, dass es in Tibet zu Aufständen kommt. Es ist für uns ein sehr emotionaler Tag. In Europa, in Amerika, in Indien und auch Australien, somit auf allen Kontinenten, sind heute die Tibeter auf den Straßen, mit ihrer Nationalflagge. Diese Flagge steht für unsere Freiheitsbewegung. Es geht darum, unserer Nation die Selbstbestimmung zurückzugeben. Diese Bewegung für Tibet ist eine gewaltfreie Bewegung, an der alle Tibeter teilnehmen und auch viele Freunde uns unterstützen. Heute ist ein Tag, an dem wir uns alle mit einer Stimme erheben und eine Nachricht an die Welt senden.

Welche Botschaft senden Sie heute an die Welt?

Die Bewegungsfreiheit der Tibeter ist in den letzten Jahren immer mehr eingeschränkt worden. Die Repression des chinesischen Regimes hat extrem zugenommen. Auf der anderen Seite ist dadurch auch unsere Freiheitsbewegung stärker geworden. Ich besuchte viele Städte in Europa, so wie Wien heute, und mein großes Anliegen ist es, den Entscheidungsträgern zu sagen, dass sie nicht die Menschenwürde vernichten und auf die Menschenrechte verzichten können für kurzfristigen wirtschaftlichen Profit – da haben wir alle nichts davon. Es ist auch wichtig, allen zu zeigen, dass die Tibeter in Tibet auf ihren eigenen Beinen stehen, gegen die Repression protestieren und Verantwortung übernehmen für ihre eigene Sache. Unsere Bitte an die westlichen Regierungen ist, dass sie uns unterstützen, weil wir eine gerechte Sache vertreten. In den letzten Jahren kam es leider immer wieder zu Selbstverbrennungen, was mich verzweifeln lässt. Ich bin extrem enttäuscht über die Ignoranz der westlichen Regierungen dem gegenüber, es hat keine angemessenen Reaktionen gegeben. Ich bin enttäuscht, zu sehen, wie die Unterstützung des Westens für Tibet in den letzten Jahren abgenommen hat.

Filmvorführung in Wien: 10. & 11. März 2016, 17 Uhr, im 18. Bezirk, Gentzgasse 22-24.

Den Film ‚Leaving fear behind‘ von Golog Jigme finden Sie hier.

Ester Platzer, 1979, lebt in Wien und ist Mitglied der Chefredaktion bei Ursache\Wirkung. Davor lebte und arbeitete sie viele Jahre in Ostafrika. Ester absolvierte ihr Magisterstudium in internationaler Entwicklung an der Universität Wien.
Ester Platzer

Ester Platzer

Ester Platzer, 1979, lebt in Wien und ist Mitglied der Chefredaktion bei Ursache\Wirkung. Davor lebte und arbeitete sie viele Jahre in Ostafrika. Ester absolvierte ihr Magisterstudium in internationaler Entwicklung an der Universität Wien.
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