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Diskurs

Konflikte sind Teil unseres Lebens. Es geht dabei nicht um die Frage, ob wir Konflikte haben oder nicht, sondern vielmehr darum, wie wir sie für unser Leben nutzen.

Die Auseinandersetzung mit den aktuellen Flüchtlingsströmen verleiht den Überlegungen noch eine weitere Dimension. Einerseits tritt die naheliegende Frage auf, ob die Menschheit aus den Erfahrungen der Vergangenheit lernen kann. Sollte das so sein, liegt die Vermutung nahe, dass Menschen im Laufe der Zeit friedlicher miteinander umgehen können. Ein Verfechter dieser Theorie ist der Evolutionspsychologe Steven Pinker. In seinem Buch aus dem Jahr 2011, ‚Gewalt‘, zeigt er auf, dass unsere Vorfahren weitaus gewalttätiger waren als wir. So erwähnt er, dass die Azteken in Mexiko in den Jahren 1440 bis 1524 unserer Zeitrechnung ungefähr 40 Menschen täglich opferten. Die Gepflogenheit ritualisierter Menschenopfer ist heute weitgehend durch friedlichere Rituale abgelöst. Dennoch ist die Frage nach der Entwicklung der Menschheit in dieser Hinsicht nicht eindeutig zu beantworten. Es ist eine Frage der Betrachtungsweise. So gibt es beispielsweise einen verhältnismäßig großen Anstieg gewaltverursachter Arbeitsunfälle, während andere Unfallauslöser eher rückläufig sind. Wie sich die Zahlen in Zukunft weiter darstellen, liegt nicht nur bei einzelnen Politikern, Religionsführern oder Exekutivorganen. Es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen, aktiv zu werden. Ein einziger Mensch kann einen Krieg initiieren. Der Wunsch nach Frieden allerdings muss von allen mitgetragen werden. Daher ist auch jeder in der Verantwortung, etwas dazu beizutragen.

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Die Hoffnung, dass endlich Frieden in allen Ländern der Welt einkehrt, ist ein Dauerbrenner. Was liegt daher näher, als nach einer einfachen und effizienten Anleitung für den Frieden zu suchen? Nachdem es in Tausenden von Jahren der dokumentierten Menschheitsgeschichte noch immer nicht gelungen ist, nachhaltigen Frieden zu schaffen und zu sichern, scheint es ein schwieriges Unterfangen zu sein. Natürlich ist die Annahme vermessen, in einem einzigen Artikel dazu eine umfassende Antwort zu geben. Dennoch möchte ich aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen als Mediatorin und als friedensliebender Mensch meine Gedanken mitteilen. Im Wesentlichen sind es drei Bausteine, auf die sich meiner Meinung nach Frieden gründet.


1. Gestalten Sie sinnbringende Beziehungen


„Wenn Sie an eine durchschnittliche Woche denken: Wie viel % Ihrer Zeit erleben Sie sinnbringende Beziehungen?“ Diese Frage aus dem Teamgeistbarometer von Elvira Hauska und Anselm Eder bringt eine erste Orientierung. Eine mögliche Antwort darauf ist 60%. Sind Sie damit zufrieden, sind Sie zu beglückwünschen – Ihr persönlicher Frieden ist dann schon sehr greifbar. Möchten Sie allerdings mindestens 80% Ihrer Zeit in sinnbringenden Beziehungen verbringen, so sind weitere Handlungen notwendig. Beziehungen leben von gemeinsamen Aktionen. Nun ist es leider nicht so, dass, wenn jemand etwas als sinnvoll, richtig oder fair erachtet, dies automatisch auch von allen anderen so gesehen wird. Daher erleben Menschen immer wieder, dass sich andere frustrierend ihnen gegenüber verhalten. Unsere Kultur, mit diesen Situationen umzugehen, ist vorwiegend eine Schuld- und Strafkultur. In der Hoffnung, dass sich das Verhalten anderer ändert, klassifizieren wir beispielsweise in Gewalttäter, Terroristen und Schlepper. Aufgrund der Annahme, dass diese Menschen etwas anerkannt Böses tun, feiern wir es als Sieg, wenn sie entlarvt und der gerechten Strafe zugeführt werden. Möglicherweise bringt es Sinn, wenn beispielsweise die Amerikaner mit Drohnen den Terrorismus bekämpfen. Es kann auch sinnvoll sein, wenn ein gewalttätiger Familienvater von seiner Familie weggewiesen wird. Andererseits zieht dies nicht zwangsläufig eine Verhaltensänderung der ‚Bösen‘ nach sich. Das Thema Sinn erschöpft sich auch nicht allein in der Beseitigung des Unerwünschten. Vielmehr ist es das Bewältigen von Aufgaben oder das Erleben von Freude, das dem Leben seinen Inhalt verleiht. Hier eignet sich die Befähigung eher als die Strafe. Können Sie eine ursprüngliche Hilflosigkeit, mit einer Situation adäquat umzugehen, in eine zielgerichtete Handlung umwandeln, so rückt Ihr persönlicher Frieden näher. Die Messlatte legt der Alltag. Je eher Sie positiv erlebte Veränderungen bewirken, umso eher bringen Ihre gegenwärtigen und zukünftigen Beziehungen Sinn. Eine wesentliche Rolle dabei spielen Konflikte.

 

2. Nutzen Sie Konflikte für Veränderungen

Frieden wird oft als unmittelbarer Gegensatz zum Krieg dargestellt. Die dahinterliegende Annahme ist, dass es nur die beiden Zustände Frieden und Krieg geben kann. In Zeiten des Friedens sind alle wesentlichen Bedürfnisse erfüllt. In Zeiten des Krieges setzt man bewusst auf die Verletzung anderer, damit die eigenen Wünsche durchzusetzen sind. Aus meiner Sicht ist diese Polarisierung heute nicht mehr haltbar. Sie vernachlässigt ein wichtiges Bindeglied zwischen Frieden und Krieg – die Zeiten des Konflikts. Dieser Zustand ist gekennzeichnet durch widersprüchliche Bedürfnisse, die allerdings noch nicht zwangsläufig dazu führen, dass zumindest eine Partei Verletzungen einer anderen Partei beabsichtigt. Daher sind Zeiten des Konflikts sicher keine Zeiten des Friedens und nicht immer Zeiten des Krieges. Leider setzt die westliche Gesellschaft Konflikte nahezu gleich mit Kriegen. Spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg werden Kriege allerdings offiziell geächtet. Dies führt dazu, dass auch eigene Konflikte sehr oft verdrängt oder verleugnet werden. Zählen Sie auch zu jenen, die meinen, dass nur die anderen Konflikte haben und bei Ihnen ohnehin alles in Ordnung ist, dann sollten Sie die nachfolgenden Zeilen besonders genau lesen. Konflikte treten dann auf, wenn wesentliche Bedürfnisse einander widersprechen. Das kann die gleichzeitige Beanspruchung von Land sein, die Verteilung von Geldmitteln, aber auch die unerwiderte heftige Zuneigung namens Liebe. Unerfüllte Bedürfnisse sind eine enorme Triebfeder. Sie motivieren Menschen zu Höchstleistungen, aber auch zu sehr zerstörerischen Handlungen. Daher sind Konflikte Wegweiser, die immer dann Gefühle in Menschen auslösen, wenn etwas Wichtiges im Leben fehlt. Können Sie durch eine Anpassung von äußeren Rahmenbedingungen, aber auch durch einen Wandel Ihrer inneren Einstellungen eigene und fremde Bedürfnisse gleichzeitig erfüllen, dann ersetzen Sie Angst durch Vertrauen. In diesem Fall ersparen Sie sich etwaige Mutmaßungen, welche ‚bösen‘ Absichten möglicherweise der andere hegt, und können gemeinsam mit ihm sinnvolle und hilfreiche Veränderungen bewirken. Im besten Fall ist es dann nicht mehr notwendig, andere bewusst zu verletzen, auch wenn dies im Einzelfall vielleicht sogar durch ein Gesetz legitimiert wäre. Jedenfalls wird es dann für Sie klarer, ob Sie sich in Ihrem aktuellen Rollen- und Gruppengefüge noch in ausreichendem Maße selbst verwirklichen können. Natürlich klingt das auf dem Papier einfacher, als es in der Praxis ist. Jeder hat sicherlich bereits mehrmals diesen Widerspruch von Anspruch und Wirklichkeit am eigenen Leibe gespürt. Die aus meiner Sicht am besten wirksame Vorgehensweise ist es, sich bei seinem eigenen Tun an anderen zu orientieren.

 

3. Suchen Sie sich Vorbilder und werden Sie selbst zu einem

Die schlechte Nachricht: Es gibt keinen immerwährenden und weltumspannenden Frieden. Die gute Nachricht: Es muss dennoch nicht immer Kriege geben. In einer Welt mit ständig steigender Vielfalt und Flexibilität greifen starre Regeln des Zusammenlebens zu kurz. Die Vorstellungen darüber, was gut, gerecht oder fair ist, ließen sich im Laufe der dokumentierten Menschheitsgeschichte nicht objektivieren – obwohl die meisten Menschen eine ganz klare Meinung dazu haben, wie sie es selbst einstufen. Eine der wenigen Möglichkeiten, mit diesen Herausforderungen umzugehen, ist es, Beispiele anderer heranzuziehen. Finden Sie Menschen, deren Handlungen Sie als gut, gerecht oder fair bewerten. In einer Anleitung zum Frieden ist es natürlich auch ein Ideal, dass diese Handlungen keine bewussten Verletzungen anderer bewirken. Gerade im Falle von bestehenden Kriegen ist der Irrglaube weit verbreitet, dass es dabei nur einen Gewinner geben kann. Was meinen Sie: Ist es nicht auch schon ein unglaublicher Sieg, wenn alle an einem Krieg beteiligten Gruppierungen die Erkenntnis gewinnen, dass es sich besser lebt, wenn nicht jeden Tag mit dem Gewehr auf den jeweils anderen geschossen wird? Ist es dann nicht eher nebensächlich, wem offiziell das Land zugesprochen wird, um das gekämpft wird? Ist es nicht auch ein unglaublicher Sieg, wenn sich trennende Elternteile gut um das Wohl der gemeinsamen Kinder kümmern können? Ist es dann nicht eher nebensächlich, ob ein Elternteil die Betreuung an einem Wochenende oder zu gleichen Teilen wie der andere übernimmt? Wenn Sie es schaffen, Vertrauen in sinnvolle Beziehungen aufzubauen, dann gewinnen Sie und andere Beteiligte dadurch inneren Frieden. Idealerweise ist Ihnen und den anderen Beteiligten dieser Friede mehr wert als etwaige damit verbundene Verluste von Vermögen oder entgangene Chancen.


Ein Beispiel für einen, den ich als Friedensstifter der Gegenwart bezeichne, ist Oliver Jeschonek. Er verbindet unterschiedliche Welten, die ich so lange für unvereinbar hielt, bis ich ihn näher kennenlernte. Einerseits ist er Mediator, dessen Aufgabe es ist, wichtige Bedürfnisse von Menschen zu erkennen und auftretende Konflikte zur Zufriedenheit aller Beteiligten zu lösen. Andererseits ist er auch Berufssoldat, dessen Pflicht die Verteidigung Österreichs ist – im Ernstfall mit Waffengewalt. Im Zuge unserer weiteren Zusammenarbeit überzeugte er mich davon, dass das österreichische Bundesheer der Zweiten Republik eine friedensstiftende Einrichtung ist. Daher kann ich mich der Forderung vieler Pazifisten nicht anschließen, die das Militär Stück für Stück abschaffen wollen. So meine ich, dass jeder friedensliebende Mensch doch froh sein müsste, wenn es eine Einrichtung gibt, die als eine Kernaufgabe die Erlangung und die Sicherung des Friedens wahrnimmt. Dieser Widerspruch liegt wahrscheinlich darin begründet, dass sich die Akzeptanz der Methoden der Friedensstiftung im Laufe der Zeit wandelt. Doch welche Richtung dieser Wandel nimmt, hängt wiederum von den einzelnen Menschen ab. Je mehr Anhänger der bedürfnisorientierten oder mediativen Friedensstiftung es gibt, umso eher kann auf die gewalt- und zwangsorientierte Friedensstiftung verzichtet werden. Militärische Streitkräfte stellen in diesem Zusammenhang die Speerspitze dar, die es vermehrt in der Hand hat, Veränderungen in der einen oder anderen Weise zu gestalten. Der Weltfriede ist ein Traum vieler Menschen. Er ist täglich neu zu suchen. Die theoretische Formel dazu ist sehr einfach: Je mehr Freundschaften und je weniger Feindschaften es gibt, umso eher lässt sich der Traum erfüllen. Die praktische Umsetzung erfordert regelmäßiges Üben in der Kunst des Friedens. Idealerweise kann ich mit meinen Worten Menschen motivieren, das zu tun.


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 94: „Ein gutes Leben"

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Elvira Hauska, geboren 1966, arbeitet als selbstständige Mediatorin und Betriebswirtin im Bereich Konfliktmanagement mit Spezialisierung auf Evaluierung, Mediation und Coaching. Sie veröffentlichte und beeinflusste in den letzten fünf Jahren über 50 Texte, Artikel und wissenschaftliche Abhandlungen in einschlägigen Fachmagazinen, Tageszeitungen und Büchern im In- und Ausland.

 

Tipp zur Vertiefung:
Elvira Hauska, Zur Kunst des Friedens, Novum 2015
 
Teaser / Bild im Artikel © Unsplash
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Elvira Hauska

Elvira Hauska, geboren 1966, arbeitet als selbstständige Mediatorin und Betriebswirtin im Bereich Konfliktmanagement mit Spezialisierung auf Evaluierung, Mediation und Coaching. Sie veröffentlichte und beeinflusste in den letzten fünf Jahren über 50 Texte, Artikel und wissenschaftliche Abha...
Kommentare  
# Monika Hirschmugl-Fu 2016-03-13 16:41
Danke Elvira für deinen Artikel, den ich heute mit Ruhe noch einmal lesen durfte
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