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Diskurs

Über unseren Umgang mit Geld, seine Eigenschaften und seinen vermeintlichen Wert. Wenn man von Geld in der Wirtschaft spricht, dann spricht man von gegenseitiger Abhängigkeit. Auch Wirtschaftswissenschaftler haben daran keinen Zweifel.

 

Das Geld ist in der Moderne das große Band geworden, das über den ganzen Planeten die Menschen in ihren Entscheidungen und Handlungen miteinander verknüpft. Wir müssen hier die Frage stellen, ob das Geld unsere Handlungen nur miteinander verbindet oder ob es uns Ketten anlegt und eine blinde Herrschaft über unseren Geist ausübt. Es ist sehr hilfreich, hierbei eine Perspektive einzubringen, die wir der reichhaltigen Tradition des Buddhismus verdanken. Weil alle Phänomene gegenseitig abhängig sind, besitzen sie keine Natur aus sich selber. Sie sind leer und haben keine eigene Identität. Doch diese Diagnose reicht noch nicht aus. Ich möchte das an einem Begriff verdeutlichen, der auch unter Buddhisten häufig seltsam diffus oder auch widersprüchlich verwendet wird: Karma. Die Brahmanen nannten ‚Karma' rituelle Handlungen, um sich dadurch ein (spirituelles) Verdienst zu erwerben. So wird Karma immer noch interpretiert: Man handelt, erwirbt dadurch – positives oder negatives – Verdienst und später erntet man die Früchte seines Handelns. Das scheint auch sehr gut auf die Wirtschaft zu passen: Man arbeitet und bekommt einen Lohn, ist es ein Unternehmen, so wirtschaftet es und erntet einen Gewinn. Scheinbar muss man nur ‚gutes Karma' anhäufen und schon wird man reich. Einige nennen das sogar ‚Karmakapitalismus'.

Doch Buddhas Karmalehre war eine Kritik an dieser brahmanistischen Vorstellung. Nicht die Tat entscheidet, auch nicht das Ergebnis: „Es ist die Absicht, die ich Karma nenne" [AN VI. 63], sagt Buddha. Das, was karmisch wirksam ist, ist die Motivation der Handlung. Die Motivation formt nicht nur die Handlung, sie formt auch Gewohnheiten des Geistes und damit künftige Handlungen – ein Teufelskreis. Wenn eine Motivation von dem Irrtum ausgeht, ein getrenntes Wesen zu sein, mit je eigenen, privaten Zielen, dann missachtet solch eine Haltung die Wahrheit der gegenseitigen Abhängigkeit. Dies führt zur Abgrenzung eines Ego-Territoriums und endlosen Verwicklungen, die uns Menschen leiden lassen. Nur eine Motivation des Mitfühlens bringt die Wahrheit der gegenseitigen Abhängigkeit korrekt zum Ausdruck. Was bedeutet das nun konkret für die Wirtschaft, für den Umgang mit Geld? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir das Geld, seine Eigenschaften und seinen (vermeintlichen) Wert etwas genauer betrachten. Wir leben in einer arbeitsteiligen Welt, sagen Ökonomen. Das ist richtig. Doch was heißt das? Es bedeutet, dass jeder Mensch nur eine begrenzte Zahl von Tätigkeiten ausübt, darin aber besondere Fertigkeiten erwirbt. Man hat einen Beruf, ist Maurer, Taxifahrer, Rechtsanwalt oder Lehrer. Der Begrenztheit individueller Tätigkeiten steht die Produktion einer unüberschaubaren Fülle an Gütern gegenüber. Diese Struktur der Wirtschaft – und sie zieht sich inzwischen über den ganzen Planeten – kann nur funktionieren, wenn die vielen, in ihrer individuellen Reichweite begrenzten Handlungen und die Vielfalt der Güter miteinander vermittelt werden. Eben dies ist die Aufgabe der Geldrechnung. Das Geld ist der sichtbare Ausdruck der gegenseitigen Abhängigkeit in der Wirtschaft. Das Geld selbst, genauer das Papierding, mit dem wir dabei umgehen, ist wertlos. Nur dadurch, dass alle Menschen ihre eigenen Handlungen in Geld rechnen (als Lohn oder Gewinn) und die gekauften Güter ihrerseits durch einen Preis in Geld bewerten, erlangt das Geld seine Funktion.

 Geld

Also auf den ersten Blick erscheint das Geld eine äußerst kluge und sinnreiche Einrichtung der menschlichen Gesellschaft zu sein. Tatsächlich haben wir es hier aber mit einem sehr seltsamen und widersprüchlichen Ding zu tun. Wir alle glauben an den Wert des Geldes; niemand lässt einen Geldschein achtlos liegen mit dem Argument: „Das ist nur ein Stück Papier." Jeder, auch der spirituell Praktizierende, kennt das freudige Gefühl, wenn auf einem Kontoauszug große schwarze Zahlen hinter dem Wort ‚Kontostand' aufscheinen. Geld hat also scheinbar einen Wert. Doch gerade die jüngste Finanzkrise offenbarte noch etwas ganz anderes: Irgendwie glauben wir doch nicht so recht an den Wert des Geldes. Wir haben heimliche Angst um unsere Sparbücher, Angst um die Löhne. Wer ein großes Aktienpaket besitzt, der erlebt sogar panische Zustände bei einem Börsenkrach. Wir glauben also an den Wert des Geldes – und glauben doch nicht daran, haben beständige Angst vor einem Wertverlust. Ein seltsamer Glaube. Ein Geldschein ist tatsächlich nur ein Stück Papier ohne jeden Wert. Der Trick hierbei: Nur weil alle Menschen an den Wert des Geldes glauben, weil sie es täglich rechnend verwenden, deshalb hat das Geld einen praktischen Wert. Wir alle erschaffen tagtäglich die Illusion eines Geldwertes. Nur in Krisen bemerken wir, dass Geld auch tatsächlich eine kollektive Fiktion ist. Das ist das Karma des Geldes. Nun könnte man sagen: Gut und schön – so mag es sein. Aber ist diese Scheinwelt nicht zugleich wunderbar, schenkt sie uns doch eine Fülle an Waren für den Konsum. Hat nicht die moderne Geldwirtschaft, der Kapitalismus den Güterreichtum schier unendlich vermehrt? Was muss es uns dann kümmern, wenn all das durch eine Illusion erzeugt wird? Hier kommt die Logik von Karma ins Spiel: Wir gehen alltäglich nicht von der Wahrheit, vom Wissen gegenseitiger Abhängigkeit in Wirtschaft und Natur aus. Wir greifen nach dem fiktiven Geldwert und halten Geld als Privateigentum fest, obwohl es eigentlich ein öffentliches Gut ist, das niemandem dauerhaft gehört. Wir greifen nach etwas, was keinen Inhalt hat. Das ist die tiefere Ursache aller Probleme, die als Börsenkrach, Bankenkollaps, Rezession und Arbeitslosigkeit dann periodisch ins Bewusstsein dringen. Negatives Karma entsteht, wenn man der Illusion erliegt, die Dinge hätten eine ergreifbare Substanz. Aus dieser Illusion geht eine falsche Motivation hervor, die wir im Buddhismus durch die drei Geistesgifte charakterisieren. In der Wirtschaft steht am Anfang die Unwissenheit über das Geld, das nur unsere gegenseitige Abhängigkeit organisiert. Wir verleihen ihm aber ‚Wert', greifen aus Gier danach und halten es fest. Da auch andere aus derselben Ego-Illusion handeln, stehen wir plötzlich im Wettbewerb, finden uns in einer Ellenbogengesellschaft wieder und entwickeln Aggressionen gegeneinander.

Zugegeben, für die falsche Motivation der Geldgier gibt es durchaus objektive Gründe, die sie begünstigen. Weil das Geld nur funktioniert, wenn man es auch wieder ausgibt, werden wir immer wieder in einen Zustand ohne Geld versetzt. Das Konto ist fast leer und der Monat ist noch lang. Daraus entsteht gleichsam ganz natürlich das Streben nach Geld. Hier offenbart Geld seine karmischen Wirkungen: Es ist wie ein Schlagbaum an einer Grenze. Wir gelangen nur an die Warenfülle der Kaufhäuser, wenn wir den fälligen Preis entrichten. Und das erzeugt eine Geisteshaltung, die nur wieder neues Karma schafft: die Geldgier. Sie ist also keineswegs harmlos, diese global funktionierende Illusion ‚Geldwert'. Geld ist zuallererst eine Schranke – und das global. Täglich sterben rund 100.000 Menschen als Folge der Mangelernährung an den Grenzen der Märkte: Es fehlt nicht an Nahrungsmitteln, es fehlt die Eintrittskarte. Im Geld ist die Verblendung des menschlichen Geistes gleichsam zum Greifen nahe. Fast jedermann geißelt die Geldgier der Bankmanager, spricht über Begrenzungen von Bonuszahlungen oder ereifert sich über absurd hohe Renditen. Jeder erkennt schon rein intuitiv, dass hier ‚etwas nicht stimmt'. Doch die tiefer liegende Ursache bleibt verborgen. Sie ist uns zu nah, um sie zu erkennen. Buddha sucht die Ursache für alle Erlebnisse und Erfahrungen in der Geisteshaltung, der Motivation, die den Handlungen vorausgeht, denn nur sie schaffen negatives Karma. Und Karma ist kein Ding, sondern eine Gewohnheit des Geistes. Was man tut und wie man es tut, das wird man. Wenn die Motivation eine unvernünftige, ja ziemlich dumme Leidenschaft ist, dann verwandeln sich die Menschen in Dummköpfe. Sie werden zu dem, was die Ökonomen homo oeconomicus nennen: ein blind auf Gewinnmaximierung ausgerichtetes Wesen. Die falsche Motivation macht daraus eine Gewohnheit und die Summe dieser Gewohnheiten nennen wir ‚Wirtschaft' oder ‚Kapitalismus'. Das Geld ist also nicht einfach ein Ding, das Geld ist eine Geisteshaltung. Es ist völlig in unser Bewusstsein eingedrungen, und dies schon seit Jahrtausenden. Das Denken und Rechnen in Zahlen, auch die Betrachtung der Natur durch die Brille der Zahlen, der Mathematik, all dies ist ganz wesentlich ein Ergebnis des durch das Geld seit Jahrhunderten veränderten Geistes. Das Geld ist in uns da; wir reproduzieren es alltäglich – dadurch, dass wir mit seinem fiktiven Wert rechnen. Wir rechnen in Geld und wir berechnen als Folge davon alle Dinge. Sogar zu Freunden sagen wir: „Ich zähle auf dich", „ich rechne mit dir". Die dem Geld eigentümlich illusionäre Natur hat nur Bestand, weil sie in unserem Geist fest verankert ist. Wir loben die ‚Rationalität' eines Menschen und vergessen, dass das römische Wort ratio ursprünglich ‚kaufmännische Rechnung' bedeutete, die Erlös und Kosten saldiert.

Buddha hat diese verheerende Wirkung der Geldrechnung erkannt und seinen Mönchen jede Annahme von Geld verboten. Er bestimmte für seine Anhänger ein Leben als Bettelmönch in ‚Hauslosigkeit', d.h. für ein Leben ohne Teilnahme an der Wirtschaft. Diesem Ideal konnten und können nur wenige folgen. Es ist aber durchaus möglich, zur Wahrheit der gegenseitigen Abhängigkeit der Menschen, zu ihrer Abhängigkeit von der Natur achtsam zurückzukehren. Das gelingt global, wenn wir dem Geld die alleinige Regentschaft über den Planeten schrittweise wieder entziehen. Praktische Vorschläge dazu wurden vielfältig gemacht: Unabdingbar wäre aktuell die Herstellung von Transparenz bei den Banken, überwacht durch eine Aufsichtsbehörde, z.B. die UN. Eine Transaktionssteuer, also eine (sehr geringe) Steuer auf jeden Kauf oder Verkauf von Finanztiteln, würden einfache Sparer gar nicht bemerken. Den Spekulanten dagegen, die Geld nur zum Zweck der Geldvermehrung benutzen und täglich oft Tausende oder im Computerhandel sogar Millionen Geschäfte tätigen, würde die eigene Geldgier zu teuer werden. Auch Mikrokredite, wie Muhammad Junus sie entwickelte, helfen vielen Menschen in den Ländern des Südens. Für den Norden ist eine kritische Überprüfung aller Bedürfnisse zur Beendigung des blinden Konsumrauschs und zur Reduktion ökologischer Belastungen unerlässlich. Das ist kein Verzicht, sondern die Chance für einen grundlegenden Kulturwandel: die Entdeckung von Glück jenseits des Konsums. Hier bietet der Buddhismus viele Hilfen zum Geistestraining an. Ferner wäre eine ethische Erziehung, die Einübung der Beschränkung von Geldgier, in die Schulen zu tragen, anstatt in den Fächern ‚Wirtschaft' nur die Unvermeidlichkeit des Egoismus zu predigen. Ich darf daran erinnern, dass Buddhismus auch Kritik der Verblendung heißt. Wir dürfen den Irrtümern einer im Angesicht der Krise offensichtlich hilflosen ökonomischen Theorie nicht die Interpretation der Wirtschaft allein überlassen. Viele Veränderungsvorschläge sind schon lange auf dem Tisch. Die Tatsache, dass sie bislang nur vereinzelt Gehör gefunden haben, liegt daran, dass man immer noch nicht die eigentliche Ursache der Wirtschaftskrisen erkannte: die im Geld selbst liegende Verblendung des menschlichen Geistes. Die momentane Wirtschaftskrise hat sich zu einer Kulturkrise ausgeweitet. Dies bietet die Chance – und für engagierte Buddhisten die Pflicht –, über die illusionäre Natur des Geldes aufzuklären und wenigstens etwas von dem aus der Wirtschaft erwachsenden Leiden künftig zu vermeiden. Es gründet nur in einer Täuschung – und Täuschungen kann man schrittweise aufheben.

Prof. em. Dr. Karl-Heinz Brodbeck war bis 2014 Professor für Wirtschaftswissenschaften an der FH Würzburg und der Hochschule für Politik, München. Er ist Dharma-Praktizierender seit über 40 Jahren, beeinflusst vor allem durch Theorie und Praxis des Mādhyamaka-Systems. Zahlreiche Publikationen, u.a. ‚Buddhistische Wirtschaftsethik‘ (2. Auflage, 2011); ‚Die Herrschaft des Geldes‘ (2. Auflage, 2012); ‚Säkulare Ethik‘ (2015).

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Dr. Karl-Heinz Brodbeck

Dr. Karl-Heinz Brodbeck

Prof. em. Dr. Karl-Heinz Brodbeck war bis 2014 Professor für Wirtschaftswissenschaften an der FH Würzburg und der Hochschule für Politik, München. Er ist Dharma-Praktizierender seit über 40 Jahren, beeinflusst vor allem durch Theorie und Praxis des Mādhyamaka-Systems. Zahlreiche Publikationen,...
Kommentare  
# Uwe Meisenbacher 2016-04-15 15:02
Die herrschenden Finanz-, Wirtschaft-, und
Politikeliten, verhindern eine soziale und um-
weltverträgliche Ökonomie: Durch ihre maß-
lose Gier nach Profitmaximierung ist ihnen
Ethik und Moral scheißegal. Sie machen Reiche reicher und Arme ärmer und zerstören
die für uns lebensnotwendige natürliche Um-
welt.
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# Elisen Spies 2019-07-26 08:18
Geld und Beziehungssymbiosen sind wie in der " Liebe" Selbstverwirklichungs-
Killer Nr. 1.
Man kann von maximalem Glück sprechen, wenn Eltern, Schule und Bildungsinstitutionen
Eigenständigkeit und Selbstliebe über Selbstkompetenz vermitteln.
Scherst"arbeit" und
je früher je besser.
Im höheren Alter ( Beginn?)
Wird das dann eventuell resignativ
gesehen - es sei keine Zeit, mehr, das zu ändern.
Schreckliche Panik:'Hier
bitte
weitetschreiben ..
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# Reinhard Duerr 2019-07-29 19:25
Erich From hat dieses Phänomen in seinem Buch " Haben oder Sein " beschrieben . Auch sein Buch die Kunst zu lieben geht auf diese Thema ein.
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