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Als ich das zum ersten Mal hörte, empfand ich es schon alleine deshalb als Bedrohung, weil es das Ende einer Ära ankündigte. Und der veränderungsunwillige Stier will eben immer alles gleich haben. Doch jetzt sehe ich das anders.

Es werden immer mehr Menschen, die mir berichten, wie wohl sie sich aktuell fühlen. Allen voran meine Kinder, bei denen ich anfangs Sorge hatte, dass ihre Lebendigkeit schlecht mit Grenzen zurechtkommt. Wir als Familie haben eine wöchentliche Videokonferenz installiert, bei der wir uns über den jeweiligen Alltag austauschen und bei aller Distanz daran teilhaben können. Mein Ältester – von seiner Firma ins Homeoffice expediert – genießt seine täglichen Spaziergänge und will auch nicht ins Unternehmen zurück, wenn es ab Anfang Mai wieder erlaubt ist. Mein Jüngster hat sich während seiner studienmäßigen Auszeit im Garten der Mutter ausgetobt, und meine Tochter kocht sich vegan in eine andere, bessere Welt.

Mein Vater hat sich in seinem Dasein zwischen Informationsaufnahme und Inseldasein wohlig eingerichtet, meine Mutter hat neben dem Maskennähen und dem Basteln von nachhaltiger Weihnachtsdeko ein drittes Projekt eröffnet, das mich ganz besonders freut. Weil es mich an ein Land erinnert, dem ich heuer vermutlich fernbleiben muss. In Südafrika werden nämlich Teebeutel, aus denen die Blätter entfernt wurden, in der Sonne getrocknet und zu wunderhübschen Gegenständen verarbeitet. Zu Engeln beispielsweise. Nun ja, meine Mutter ist also auch in diese Branche eingestiegen, und ich freue mich schon, wenn ich ein Bild von ihrem ersten Kunstwerk bekomme. Falls sie es nicht auch für Weihnachten aufbewahrt – Fische brauchen schließlich immer ein kleines Geheimnis.

Heute habe ich mit meinem Friseur telefoniert, und auf die Frage, wie es ihm und den Seinen gehe, meinte auch er: „Du, wir haben so viel erledigt. Und die ersten zwei Wochen waren reiner Urlaub.“ My Tribe! Natürlich ist er auch froh, dass bald wieder Geld fließen wird, und wenn wir Kunden seinen Salon stürmen werden, finden wir diesen auch verändert vor. Weil auch er Ausdruck der Selbstwirksamkeit während der letzten Wochen ist. Ob wir uns weiterhin so gut unterhalten werden, wenn wir durch Masken hindurch kommunizieren müssen, während die Haarföhne zur Geräuschkulisse beitragen? Ich werde es sehen. Meinen Wunschtermin habe ich bekommen, mein Friseur wetzt schon die Schere.

Alles wird wieder leichter, wie es scheint. Und wenn ich sehe, wie mein kleiner Nachbar schon fast über den Zaun klettern kann, stelle ich Fortschritt auch in meiner nächsten Umgebung fest. In der Natur selbstverständlich auch, wo ich mich an den frischen Kastanienblüten erfreue, bei jedem Spaziergang durch den Garten eine Nase voller Lorbeerblütenduft nehme und die Mangoldblättchen durch die Erdoberfläche stoßen sehe. Und ich merke auch, dass diese Leichtigkeit dazu führt, dass immer mehr Menschen „konspirative“ Treffen vorschlagen beziehungsweise darüber nachdenken. Sogar meine Eltern haben sich schon informiert, ob sie zu meinem bevorstehenden Geburtstag in den Zug steigen dürfen. Und die sind normalerweise diejenigen, die einen Handwerker anrufen, wann die Rechnung kommt, bevor der ihr Grundstück verlassen hat.

Normalität

Ich wiederhole mich ungern, aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund halte ich mich an die Regeln. Gerade jetzt, wo auch eine Lockerung der sozialen Kontakte in Aussicht gestellt wird – auf die paar Tage kommt es nun auch nicht mehr an. Mein Geburtstag ist wirklich kein Grund, Strafen zu riskieren. Nach einem ungewöhnlichen Weihnachtsfest und ausgefallenen Ostern darf ruhig auch die Wiederkehr meiner weltlichen Einkehr verschoben werden. Ich bin eh ein ganzes Jahr ein Jahr älter.

Nicht, dass ich mir das unter „neuer Normalität“ vorstelle – doch ich frage mich schon, was ich selbst von meinem jetzigen Zustand dorthin retten möchte. Und das ist gar nicht so wenig. In dieser Woche habe ich ein Interview mit einem deutschen Politikwissenschaftler gehört, der meinte: „Wir sehen, dass momentan vieles geht, was wir für unmöglich hielten. Und dass es viele Alternativen dazu gibt, was wir als alternativlos gehalten haben.“ Auch wenn ich es noch nicht detailliert formulieren kann: Die Frage, ob ich etwas brauche oder ob ich Lust darauf habe, wird mich künftig wahrscheinlich begleiten. Vermutlich wird das auch mein Zeitmanagement betreffen, mein Shoppingverhalten sowieso und auch meine Ausgehgewohnheiten. Die hatten sich ja schon aufgrund des Rauchverbots in Lokalen verändert, doch wenn ich daran denke, dass der Eintritt in mein Stammlokal nur mit Mundschutz und zahlenmäßig reglementiert vonstattengehen könnte, lade ich den Wirt meines Vertrauens lieber wieder zum Essen zu mir nach Hause ein.

Mal sehen, wie es weitergeht – mit der Gesellschaft und mit mir. Mit meinem Zeitmanagement und dem Wandel, den ich im vergangenen Jahr gespürt habe und der jetzt in 3-D angekommen ist für mich. Ich spüre, dass es keinen Weg zurück gibt für mich, nur einen nach vorne. Und der wird sich mir jeden Tag aufs Neue eröffnen. Ich freue mich darauf. Bleiben Sie gesund und neugierig!

Weitere Beiträge von Claudia Dabringer finden Sie hier.

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
Kommentare  
# Axel 2020-04-24 08:25
Es ist durchaus spannened zu sehen wie sich die Zeit nach Corona entwickeln wird. Ich habe einige FReunde die nie von Zuhause arbeiten durften, weil es ja nicht geht, aber nun, siehe da - alle arbeiten brav von zuhause.
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# magclaudiadabringer 2020-05-12 21:52
lieber axel, moegen neue wege zum standard werden - danke fuer ihre rueckmeldung!
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