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Der Mensch im Allgemeinen und ich im Speziellen sind lernende Wesen – auch wenn meine Eltern das hinsichtlich meiner gymnasialen Lernaversion nicht sofort unterschreiben würden. Doch Mensch im Allgemeinen und ich im Speziellen können sich ändern.


Was sich in einer Universitätsstadt wie meiner anbietet, sind Vorträge von und mit Wissenschaftlern. Also solchen, die geneigt sind, das gemeine Volk an ihren Erkenntnissen teilhaben zu lassen, was ja nicht für jeden Forscher gilt. Manche fühlen sich recht wohl im Elfenbeinturm, und das sei ihnen auch von Herzen vergönnt. Schließlich steckt viel Arbeit hinter diesen Ergebnissen, und man will ja nicht Perlen vor die Säue werfen. Geschenkt.Umso mehr schätze ich jene, die glauben, dass sie mit ihrer Arbeit die Allgemeinheit ein Stück weiterbringen können.
Kürzlich finde ich mich also wieder in einem Vortragssaal, wo drei Kapazunder aus den jeweiligen akademischen Fachbereichen das Leben und die Rezeption von Jesus, Mohammed und Buddha vergleichen. Hochspannend, wie meine Freundin und ich finden. Und uns leicht verkrampfen, als der erste Aufruf für Fragen aus dem Publikum kommt. Jetzt kann man ja über die selbsterfüllende Prophezeiung streiten, aber uns hat sie bestätigt in unserer Befürchtung. Jener nämlich, dass Fragerunden nicht automatisch – wie es das Wort eventuell implizieren könnte – für Fragen genutzt werden. Wieso auch? Wenn man die Gelegenheit hat, sich an Universitätsprofessoren zu messen, muss man sein Bestes geben. Oder sein Abstrusestes. Oder sein Banalstes.
Es ist ja wirklich nichts dabei, wenn man versucht, seine Frage in einen Kontext einzubetten. Doch wenn außer Kontext gar nichts mehr kommt, werden unsere Augäpfel unruhig, um nicht zu sagen unrund. Und um die Ruhe zu bewahren, formen sich unsere Hände zu einem Mudra, das meine Freundinnen und ich als - verzeihen Sie meine Sprache – als „Fuck You“-Mudra bezeichnen. Jenes, das die Mittelfinger zusammenführt und für mehr Harmonie sorgt. Und die brauchen wir auch, wenn der eine seine Meinung verkauft, die andere sich locker als Betschwester verdingen könnte und der dritte gar das Podium unter der Gürtellinie angreift. Und wir fragen uns, wie es dazu kommen kann, dass Besucher Vorträge immer wieder zur Selbstdarstellung nutzen.
Ich habe zwei Thesen. Erstens den Verdacht, dass es aus der Mode kommt, Fragen zu stellen. Hin und wieder habe ich das schon in privaten Gesprächsrunden beobachtet, dass man sich nach der ersten Begrüßung hinsetzt und zu erzählen beginnt. Ohne sich vielleicht zuerst nach dem Befinden der anderen zu erkundigen, was sich besonders dann gut macht, wenn man irgendwo zu Gast ist. Doch aus irgendeinem Grund gibt es Menschen, die ganz automatisch von sich annehmen, dass ihre Erlebnisse wichtiger sind als die der anderen. Oder die vielleicht zuhause nicht zu Wort kommen und deshalb jede Gelegenheit nutzen, um endlich alles über das Gegenüber zu ergießen, was sich über Tage und Wochen angesammelt hat. Da vergisst man im Überschwang der Erleichterung schon mal, dass es so etwas wie Fragen gibt.

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Die zweite These: Das Internet macht uns alle zu Experten – glauben wir zumindest. Nicht nur Mediziner leiden mitunter am Halbwissen ihrer Patienten, die „Dr. Google“ mehr glauben als dem Hausarzt. Meiner beispielsweise begrüßt mich immer mit einem nachsichtigen Lächeln, weil er auf meine verqueren Gesundheitserhebungen schon wartet. Es endet dann meistens damit, dass er 80 Prozent meiner jeweiligen Malaise dem Rauchen zuschreibt. Viel wichtiger für mich ist allerdings, dass er 20 Prozent meiner Vermutungen zumindest nicht ausschließt. Das ist dann MEIN Moment für das nachsichtige Lächeln. Und das sehe ich auch im Gesicht der Wissenschaftler auf dem Podium. Wenn es um Religion geht, sollte es allen Dreien gut zu Gesicht stehen. Und das tut es auch. Der Islamwissenschaftler praktiziert Sakina, die christliche Theologin als Attackierte Barmherzigkeit und die Buddhistin Upekkha. Bewundernswert! Meiner Freundin und mir gelingt das nur mühsam. Doch das ist wahrscheinlich der Grund, warum die Drei auf dem Podium sitzen und nicht wir.
Natürlich kann man sich auf den Arztbesuch wie auf einen Vortrag vorbereiten. Doch wozu sucht man Experten auf, wenn man eh alles besser weißt? Missbraucht man sie nicht, wenn man nur bei ihnen aufschlägt, um die eigene Meinung zu bestätigen? Ich wiederhole mich, doch: Ich lerne gerne – mit Vorliebe etwas Neues. Und selbst wenn ich Grundkenntnisse habe, bedeutet das nicht, dass ich alles weiß. Deshalb halte ich bei Vorträgen meist meinen Schnabel und sperre die Ohren weit auf. Denn da geht noch viel G'scheites rein. Aber leider auch anderes.

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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