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Ich war eine der Glücklichen, die am Retreat in einem Meditationszentrum bei Cadzand teilnehmen durften: Vom 4. bis 9.9.2018. Was soll das heißen, ich ‚durfte‘?

Schließlich war ich nicht persönlich eingeladen worden, ebenso wenig wie alle anderen der insgesamt 115 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Wie alle anderen habe ich mich angemeldet (frühzeitig!), den höchsten Teilnehmerbetrag gewählt von drei Optionen und mich gefreut wie die Schneekönigin selber, dass ich endlich, endlich Roshi Joan persönlich kennenlernen konnte. Persönlich, also körperlich anwesend, im selben Raum wie ich weilend. Nicht in einem Podcast oder beim Austausch auf ihrer Facebook-Seite, wo es manchmal schon etwas persönlicher zugehen kann.
Wie in Roshis kürzlich erschienenem Buch ‚Standing at the Edges‘ geht es bei ihr im Eigentlichen immer um das Entwickeln – oder sollte ich sagen: das Freilegen, Wieder-Erinnern, Verkörpern – von wahrem Mitgefühl. Das jedenfalls ist – in Kürze gesagt – meine Meinung. Joan selber spricht nicht von ‚wahrem‘ Mitgefühl. Schließlich gibt es nur Mitgefühl oder es ist eben keines.
Ich entscheide mich hier für den Zusatz ‚wahr‘, weil mir schon bei der Lektüre des Buches von Joan Halifax, aber noch viel mehr durch ihre Vorträge und die Durchdringung des Gehörten in Einzel- und Gruppenarbeit, klar wurde, wie gefährdet wir Menschen sind, Haltungen oder Handlungen fälschlicherweise als mitfühlend anzusehen. Während wir unsere Motivation nicht ausreichend geprüft haben. Uns um die inneren und äußeren Gegebenheiten einer Situation zu wenig gekümmert haben. Das, was Menschen beziehungsweise Wesen in der Tiefe benötigen, zu wenig erforscht haben und kennen. Unsere eigenen Fallstricke, wie zum Beispiel die Grenzen unserer physischen und psychischen Belastbarkeit, kaum in Betracht ziehen aus Mangel an Selbstrespekt.
Dies alles wurde nun nicht etwa moralisch be- und verurteilt, sondern mit einer Fülle von praktischen Beispielen aus Roshis eigener Erfahrung anschaulich gemacht. Wie sie zum Beispiel an den Rand einer Retraumatisierung geriet, weil sie eine frühere schwere Belastung an einem Arbeitsplatz, wo es um schwere Verbrennungswunden ging, nicht durchgearbeitet hatte. Dergleichen Beispiele gibt es viele.
Joan ist meines Wissens eine der wenigen maßgebenden Dharma-Autoritäten, die eine Lanze brechen für Authentizität, Mutualität der Beziehung zwischen Lehrerin/SchülerIn, für Selber-Denken, für die Notwendigkeit von Therapie für viele von uns. Für umfassende Selbstfürsorge. Und, was ungleich wichtiger ist, man nimmt es ihr auch ab. Durch ihre umfassend wertschätzenden Rückmeldungen zu geäußerten Kommentaren oder Fragen von uns gab es kaum eine oder einen, der oder die sich dauerhaft getäuscht, gemaßregelt, infantilisiert gefühlt hätte. Jedenfalls ist dies mein Eindruck von meinen Peers und der Gesamtstimmung der Großgruppe.
Dennoch war es teilweise sicherlich für die meisten von uns zeitweise starker Tobak, den es zu verdauen gab. Schließlich ist unser Planet in einem bedenklich bedrohten Zustand. Wenn wir die Wahrheit des Leidens an uns heran- und in uns hineinlassen, auch unseres eigenen Leidens, dann haben wir ordentlich zu tun. Wenn wir dem ein Ende setzen wollen, wie angehende Bodhisattvas zu geloben pflegen, dann sind alle unsere Anteile, die niedrigsten und die höchsten, auf einmal gefordert.
Wie denn nun dieses Ausmaß an Leiden in die Lotusblüte des Mitgefühls verwandelt werden kann, ohne allzu lange in den Abgründen unserer mentalen Zustände verweilen zu müssen: Das, so sind wir deutlich aufgerufen, können wir lernen, üben, verkörpern – Schritt für Schritt, wie Joan selber es vorführt.

Durch stetige Praxis.

Zu einem Interview mit Joan Halifax geht es hier.

Foto Joan Halifax © Privat

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
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