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Wenn man oder frau einige Jahre dabei ist, ein buddhistisches Zentrum eher regelmäßig aufsucht, die ausliegenden Flyer studiert und sich mit den zu kaufenden Zeitschriften bekannt macht, dann stößt man unweigerlich auf Autoren und Autorinnen beider Kategorien: die quer zum Mainstream Denkenden und diejenigen, die man nicht mehr als zugehörig erleben kann.

Zu denen, die querdenken, sind die Säkularen zu zählen. Wir stellen uns vor, wie diese buddhistische Spezies weder Tempel noch Devotionalien braucht wie Buddha-Statue, Räucherwerk, Wassergefäße, doppelte oder dreifache Ausführungen von Blumensträußen oder -gestecken, je nach Linie, keine Sutrenbücher, keine Fotos der Ahninnen und Ahnen.
Sie sind überall anzutreffen, in Wohnzimmern und auf Kongressen, in Meditationshäusern und auf dem Flughafen, schreiben Bücher und Artikel, werden eingeladen: Endlich einer, der aufräumt mit dem Verquasten, der die Essenz des Buddhismus aufbereitet und neu interpretiert vor dem Hintergrund unserer postmodernen Gegebenheiten, der psychologischen Erkenntnisse gegenwärtiger Forschung. Dem Mystizismus möchte man eine ernüchterte, aufgeklärte Weisheit entgegensetzen, die weder abgehobene Gurus noch eine Hierarchie benötigt und somit gegen Machtmissbrauch, der auch sexuell-ausbeuterische Färbungen annehmen kann – und dies nicht zu knapp –, gefeit ist. So wähnt man sich geschützt vor vielerlei und kann den zweifelnden oder suchenden Christen, denen am Buddhismus die Neuauflage von Form, Ritual und Gehorsam missfällt, etwas erfrischend Verständliches und Neuzeitliches anbieten. Zum Beispiel eine Neuinterpretation der Vier Edlen Wahrheiten. Ganz schön mutig, die Wahrheit mit ‚Aufgabe‘ zu übersetzen! Doch ohne Mut bleibt mancher hervorragende und revolutionäre buddhistische Text blass und verschroben, er geht uns nicht ein, verheddert sich irgendwo, und so kann es schlecht zu einer Verkörperung der Weisheit kommen!
Wir brauchen also diese mutigen Neudenker, Uminterpretierer, auch um die Botschaft an den Mann und an die Frau zu bringen, die schon lange von gewissen unschönen Hintergründen wie ausgeprägten Männerbünden und einer Vielzahl von sexuellen Übergriffen auf Frauen schlichtweg angeekelt waren. Wir sprechen von einer Dysfunktionalität zwischen machthabenden Äbten oder Lehrern gegenüber ihren Schülerinnen. Wie sollen wir derartige Verhältnisse sonst nennen. Prekär?

Daneben scheint es die Verqueren zu geben, die zwar einen erfrischenden Gegensatz zu den Saturierten und Wissenden bilden, sich jedoch offenbar zu weit vom orthodox-buddhistischen Mainstream wegbewegten, um noch ein deutlich erkennbares Profil zu haben – außer dem Buddha-Kopf im Logo oder im Fenster oder um den Hals.
Die Verqueren findet man schon mal in Versandhauskatalogen für Gebildete, bei Tchibo oder in flott eingerichteten Großzentren im Herzen unserer Städte. Ein merkwürdiges Basiswissen, sogar lange Jahre Meditationsreisen zum Kailash oder in die Mongolei können einem Bewunderung abringen. Dennoch: Warum bleibt man nach diesen Gesprächen so eigenartig unberührt, irritiert, sorgenvoll? Wenn ich ein solches Erlebnis habe, hin und wieder kommt es vor, dann ertappe ich mich bei folgendem Gedanken: Dieses Wesen braucht einen Lehrer/eine Lehrerin. Wer sonst könnte deine Entwicklung beobachten, einschätzen, Tipps geben, Hinderliches ansprechen? Das übrigens wurde auch in einer Podiumsdiskussion von den Querdenkern angemerkt: Angenommen, man studiere bei mehreren Lehrerinnen und Lehrern, dann solle man eine(n) von diesen zum Hauptlehrer/zur Hauptlehrerin ernennen. Und dabei nicht vergessen, dass es uns um die Lehre und nicht um die Lehrerin oder den Lehrer geht! Ich bin da immer ein bisschen skeptisch, ob diese Ermahnung wirkt, denn die Lehre verkörpert sich nun mal durch den Menschen, und wenn der Mensch nicht mehr glaubwürdig erscheint oder handelt, dann fließt manchmal auch gleich die Lehre den Bach hinunter. Angewidert wird der Enttäuschte seine Befreiung fürderhin im Sufismus suchen. Gut finde ich die Empfehlung trotzdem: Sich niemals einer Lehrperson anvertrauen zu können, kann auch etwas mit Angst und Bindungsschwäche zu tun haben, und sollten wir das nicht mal angehen? Unsere Komfortzone verlassen und eine tiefe Erfahrung machen?
Neben den Querdenkern, den Verqueren gibt es auch noch die Saturierten, die ich kurz erwähnt habe. Deren Bücher finde ich, jedenfalls im deutschen Sprachraum, selten so richtig unter die Haut gehend.
Zu viele Autorinnen und Autoren behandeln dasselbe, die Vier Edlen Wahrheiten, den Achtfachen Pfad und – je nach Richtung – die Übungen zum Überwinden der Hindernisse. Metta, Tonglen in allen Variationen. Ich liebe beides sehr, jedoch vermisse ich hin und wieder eigenständiges Denken, die Preisgabe eigener Erfahrungen, offene Türen zu anderen Traditionen und wechselweise Einladungen, den Austausch über engagiertes soziales buddhistisches Handeln und Zukunftsvisionen.
Hat bei uns in Deutschland das Thema Einlass gefunden, das in den USA und teilweise in Großbritannien heftig diskutiert wird: Wie begegnen wir als Buddhisten struktureller Gewalt? Wie der äußerst fahrlässigen Behandlung von Mutter Erde? Wie den Geflüchteten, Illegalen, allen Arten von Minoritäten, die künftig in Slums leben werden oder schon dort sind?
In diesem Bereich: Raus aus den Tempeln und auf die Straße. Dort sitzen, dort Gehmeditation betreiben! Bei den Marginalisierten und vor den Waffenfirmen … Praxis ist überall möglich und nötig.

Mögen wir einander Mut machen zum Querdenken und Querhandeln! Möge all dies das Leiden aller Wesen lindern.

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
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