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Ich habe den Essays von Tarkowskij deshalb den Vorzug gegeben, weil sie Energiequellen sind, die aus der duchownost, der Spiritualität und mystischen Geistigkeit, heraus schöpfen. 'Mein spirituelles Lieblingsbuch' von Gerhard Roth.

Die Gedanken des russischen Regisseurs Andrej Tarkowskij zur Kunst, Ästhetik und Poetik des Films unter dem Titel ‚Die versiegelte Zeit’ sind wie seine lmischen Meisterwerke ein Kaleidoskop, das beim Durchsehen jedes Mal ein anderes Muster zeigt. Das hängt nicht zuletzt mit dem Leser zusammen, der nicht immer gleich auf die antirationale Subjektivität der Schriften reagiert.
Ich habe den Essays von Tarkowskij vor anderen Büchern deshalb den Vorzug gegeben, weil sie – auch wiederum wie seine Filme – Energiequellen sind, die aus der duchownost, der Spiritualität und mystischen Geistigkeit, heraus schöpfen und dabei eigentlich gar nicht zeitgemäß zu sein scheinen.
Tarkowskijs Subjektivismus, der Grundtenor seiner Schriften, ist nicht nur als Ausdruck seiner Spiritualität, sondern auch als Widerstand des Künstlers gegen den Ungeist der kommunistischen Bürokratie in der Sowjetunion zu verstehen, vor dem er schließlich nach Italien und dann nach Paris floh.
Zu seinen geistigen Vätern zählen die russenischen Symbolisten mit ihrer metaphysischen Ästhetik ebenso wie Dostojewskij und Tolstoj, die Kunst der deutschen Romantik, die religiöse Philosophie Asiens, die Welt der russischen Orthodoxie und überdies Elemente der Anthroposophie und Parapsychologie. Die Essenz daraus lässt sich programmatisch in einem Gedanken von Wjatscheslaw Iwanow zusammenfassen, den Tarkowskij in der ‚Versiegelten Zeit’ zitiert: „Das Symbol ist nur dann ein wirkliches Symbol, wenn es in seiner Bedeutung unerschöp ich und grenzenlos ist. Wenn es eine dunkle, hermeneutische und magische Sprache spricht. Wenn es etwas Unausdeutbares lediglich antippt und suggeriert, etwas, das dem natürlichen Wort inadäquat ist. ... Symbole sind etwas Unaussprechliches. Der Gesamtheit ihres Seins stehen wir hilflos gegenüber.“
Tarkowskij bestreitet, dass es in der Kunst einen Fortschritt gibt, er bezeichnet Kunst und Wissenschaft als Formen der Weltaneignung, als Erkenntnisformen auf dem Wege zur ‚absoluten Wahrheit’. „Doch damit endet auch schon die Gemeinsamkeit dieser beiden Äußerungsformen des schöpferischen, menschlichen Geistes“, schreibt Tarkowskij, „wobei – ich wage es, darauf zu bestehen – Schöpfertum nichts mit Entdecken, sondern mit Erschaffen zu tun hat. ... In der Kunst eignet sich der Mensch die Wirklichkeit durch subjektives Erleben an. In der Wissenschaft folgt das menschliche Wissen den Stufen einer endlosen Treppe, wobei immer wieder neue Erkenntnisse über die Welt an die Stelle der Alten treten ... Die künstlerische Einsicht und Entdeckung entsteht dagegen jedes Mal als ein neues und einzigartiges Bild der Welt, als eine Hieroglyphe der Wahrheit. Sie präsentiert sich als eine Offenbarung, als ein jäh aufblitzender leidenschaftlicher Wunsch des Künstlers nach intensivem Erfassen sämtlicher Gesetzmäßigkeiten der Welt in ihrer Schönheit und ihrer Hässlichkeit, ihrer Menschlichkeit und Grausamkeit, ihrer Unendlichkeit und ihrer Begrenztheit.“

Gerhard Roth, geb. 1942 in Graz, zählt zu den wichtigsten deutschsprachigen Autoren der Gegenwart. Zuletzt erschienen: ‚Die Irrfahrt des Michael Aldrian’, S. Fischer 2017.

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