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Ich mag hingebungsvolle Menschen. Solche, die sich dem, was sie tun, vollends widmen. Solche, denen buchstäblich Hören und Sehen vergeht, wenn sie in eine Sache eintauchen. Manchmal passiert auch mir das, und das Gefühl, das daraus entsteht, ist tiefste Zufriedenheit. So wie kürzlich im Einkaufszentrum.

Normalerweise bewege ich mich durch die so genannten Shopping-Tempel wie auf Schienen. Ziel anpeilen, den kürzesten Weg suchen, Einkauf erledigen und auf dem kürzesten Weg wieder raus. Meistens stehen mir dann Menschen im Weg herum (siehe Blog vom 7. Oktober) und sie deshalb nicht anzufallen, ist schon eine Lektion in Gelassenheit. Doch manchmal sind meine Augen weiter offen als normalerweise, und dann sehe ich Dinge und Menschen, die mir an Rein-Raus-Tagen entgangen wären.

An einem Abend nütze ich die lange Öffnungszeit, um noch spät erkannte Mängel in meinem Kühlschrank auszugleichen. In den Hallen des Einkaufszentrums findet eine Art Messe statt, wo sich verschiedene Menschen mit ihren Produkten, Fähigkeiten und Erkenntnissen präsentieren. Es geht um das Thema Lebensenergie, das mich ja grundsätzlich sehr interessiert, und doch bin ich anfangs wieder sehr fokussiert. Mit der vollen Einkaufstüte am Arm werden meine Schritte dann langsamer, und ich beginne, genauer hinzuschauen. Aha, hier kann man sich massieren lassen – wer macht denn so was in einem Einkaufszentrum, denke ich. Es gibt einen Bücherstand, Gongs werden angeboten und auch sonst einiges, was meiner Mutter die kalten Schauer über den Rücken jagen würde. Doch dann bleibt mein Blick an einer Bezeichnung, einem Namen hängen, der mir bekannt vorkommt. Ich kann ihn nicht gleich einsortieren, freue mich trotzdem über das, was er in mir an Freude auslöst und steige die Rolltreppe in den ersten Stock, dann den zweiten Stock hinauf. Fast auf dem Dach angekommen, fällt der Groschen. Also fahre ich wieder in die erste Etage, dann ins Erdgeschoss und schaue mir den Menschen an, den ich mit der Bezeichnung verbinde. Und siehe da, die Zuordnung war die richtige.

Mir steht ein Mann gegenüber, den ich als Manager kennengelernt hatte vor vielen Jahren. Unsere Wege haben sich aus beruflichen Gründen immer wieder gekreuzt, immer im gleichen Kontext. Irgendwann habe ich erfahren, dass er auf seine Managertätigkeit den Hut gehaut hat, den Jakobsweg gegangen ist und eine Erfahrung gemacht hat, die viele Santiago-Pilger kennen. Dass nämlich nichts mehr ist wie vorher. Jetzt ist er Lebensberater und Schamane, erkennt mich wieder und lädt mich zu einer Aura- und Chakrenreinigung ein. Mehr sei in dieser Umgebung nicht sinnvoll. Die Frage von vorher – wer macht denn so was? - beantwortet sich praktisch von selbst: ich! Also verabrede ich mich für den nächsten Tag, weil ich ja stets begeistert bin von Dingen, die mir auf meinen geplanten Wegen scheinbar zufällig begegnen.

Doch die Tatsache bleibt: Ich bin im Begriff, mich in einem Shopping-Center auf den Boden zu legen. Naja, auf eine kuschelig bedeckte Matte hinter einem Stand und einem Paravent. Trotzdem. Doch die Neugierde auf die Transformation eines ehemaligen Geschäftsmannes sowie Informationen über den Zustand von Aura und Chakren ist größer. Also ziehe ich Schuhe und Socken aus und lege mich hin. Im ersten Stock lehnen Menschen über die Brüstung und schauen auf mich herab, rund um mich herum höre ich Stimmen, die sich mit den alltäglichsten Dingen beschäftigen, und ich spüre, wie schwer es mir fällt, mich nicht nur hinzulegen, sondern auch hinzugeben. Und selbst als ich aufgefordert werde, die Augen zu schließen und den Klang einer Trommel höre, kann ich noch nicht ganz fassen, was ich eigentlich tue. Doch dann spüre ich, wie das Trommeln direkten Kontakt mit meinem Kopf aufnimmt und mir bewusst macht, dass dieser ursprünglich der Diener des Menschen ist und nicht umgekehrt. Also wende ich meine Konzentration dorthin, was auf mich abgestimmt ist: die Gesänge, die Worte, das Rauschen des Didgeridoo, das Vibrieren des Monochords auf meinem Körper.

An meinem Atem merke ich, dass ich ruhig werde, mich einlassen kann auf den Schamanen und seine Berührungen. Dass die Stimmen und Stimmungen um mich herum einerlei werden, die quengelnden Gedanken sich aufgelöst haben. Und dass es mir tatsächlich gelungen ist, mich hinzugeben. Am Ende des kleinen Zeremoniells bekomme ich einen Rosenquarz geschenkt, ohne dass der Mann wissen konnte, dass dieser Stein immer schon zu mir gehört hat. Meine Aura und meine Chakren hätten nur kleine Korrekturen nötig gehabt. Man merke, ich tue schon viel für die Reinheit derselben, meinte er. Ein gutes Gefühl. Ich kann hinlegen und hingeben nur empfehlen – auch in einem Einkaufszentrum.

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
Kommentare  
# Sylvia Václav 2016-11-15 17:31
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