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Heute möchte ich Ihnen von Franz erzählen. Franz hat Asthma, schweres Asthma. Die Diagnose ‚schweres’ Asthma zwingt ihn, ‚schwere’ Medikamente zu nehmen, die ich – sein betreuender Arzt – ihm aufschreibe.

Franz möchte nicht, dass wir seine Lungenerkrankung COPD nennen. COPD bedeutet chronic obstructive pulmonary disease, und dieses chronic stört ihn. Es klingt so endgültig, unwiderruflich, obwohl Franz sein Asthma seit seiner Kindheit hat. Doch noch immer, irgendwo in seinem Hinterkopf, hegt er die Hoffnung auf Heilung. Franz ist heute 50 Jahre alt. Da ich selbst Asthma nur zu gut kenne, berührt mich seine Geschichte. Und über die Jahre sind wir, Franz und ich, Freunde geworden. Franz läuft. Täglich. Er läuft, um zu leben. Franz sagt, dass er stirbt, wenn er nicht täglich läuft. Bewegung ist Leben. Stillstand ist Tod. Franz spürt das. Täglich. Und obwohl er so schweres Asthma hat, dass er oft Mühe hat, einfach nur zu gehen, läuft er. Franz läuft sehr langsam. Er macht einen Schritt nach dem anderen, er setzt einen Fuß vor den anderen. So weit denkt er, weiter nicht. Denn die Vorstellung, welchen Weg er am jeweiligen Tag noch zu bewältigen hat, würde ihn lähmen und verzweifeln lassen. Also bleibt er bei jedem einzelnen Schritt. Und so schafft er es, mit wenigen Kilometern pro Stunde, tagtäglich mindestens eine Stunde zu laufen. Und umso schlechter es ihm geht, desto länger läuft er. Er weiß, dass er seinem Körper dann sagen muss, dass er diesen Zustand der Atemlosigkeit nicht akzeptieren kann. Die Atemlosigkeit führe unmittelbar zum Tod, so formuliert es Franz, so empfindet er es. So hat er es schon mehrmals erlebt. Zu einer Zeit, als Franz noch nicht lief, war er einmal beim Gehen atemlos zusammengebrochen. Franz spürt noch immer dieses Gefühl, wie es ist, wenn das Atmen ab sofort nicht mehr möglich ist. Und in seiner Erinnerung ist der Moment tief gespeichert, wie aus dem Nicht-Atmen eine Bewusstlosigkeit wird. Franz verlor das Bewusstsein. Für ihn war das der Moment, in dem er gestorben ist. Seither hat Franz keine Angst mehr vor dem Tod, denn der Moment war friedlich und leicht. Da war ein Gefühl von Geborgenheit und Freiheit, die Schwere der Krankheit war endlich überwunden. Doch Franz war nicht tot. Seine Ohnmacht passierte genau vor einem Spital und so verging nur ein Moment, bis ein Notarzt ihn versorgte und schließlich ins Leben zurückbrachte. Seither läuft Franz. Und obwohl er keine Angst mehr verspürt zu sterben, möchte er erst recht leben. Franz kämpft für jeden einzelnen Moment in seinem Leben. Wer früher stirbt, ist länger tot, sagt Franz und lächelt. Er möchte erleben, wie seine Kinder glücklich sind, wie sie Entscheidungen im Leben treffen; ob die richtigen oder falschen, das ist Franz ganz egal. Er möchte für seine Kinder da sein und ihnen mit seiner Erfahrung zur Seite stehen. Er möchte ihnen die Angst vor dem Leben nehmen und ihnen die Freude am Leben schenken. Und er möchte Zeit mit seiner Frau verbringen. Franz weiß heute, worum es geht: Lebe jeden Moment, als wäre es dein letzter! Und bei Franz sind das nicht einfach schöne, leere Worte. Wenn Franz das sagt, dann ist das gelebtes Wissen. Franz ist immer gut aufgelegt. Wozu den Tag mit Schwermütigkeit und Jammern auf hohem Niveau vergeuden? Zuletzt habe ich Franz aufgeklärt, dass dieses neue Medikament Nebenwirkungen in der Zukunft haben könnte, schwerwiegende Nebenwirkungen. Und Franz hat aus tiefstem Herzen gelacht, so lange, bis ihm die Tränen heruntergeronnen sind. Er lebe jetzt und es würde wohl an ein Wunder grenzen, wenn ermit dieser Lunge noch so lange auf dieser Welt sein werde, dass er die möglichenNebenwirkungen dieses Medikamentes erleben könnte. Und wenn, dann werden wir sie feiern!

Franz hat das große Glück, seinen Körper zu spüren. Er erkennt seine Signale und weiß, was zu tun ist. Wenn ich könnte und als Arzt mit unserer Medizin schon viel weiter wäre, würde ich ihm all seine Beschwerden nehmen. Aber ich kann es nicht. Und Franz hadert nicht mit seinem Schicksal. Er nimmt es an und lebt. Und weil er so intensiv in seinem Körper ist, spürt er, wie wertvoll das Leben ist. Er durfte erfahren, dass der Tod nichts ist, wovor man sich fürchten sollte. Jammern auf hohem Niveau ist ein Ausspruch, den eine Freundin für uns hier im Westen oft benutzt. Wenn wir nichts haben, worüber wir jammern können, suchen wir halt so lange, bis wir etwas zum Jammern haben: Jammern auf hohem Niveau. Man könnte es auch die Kunst des Jammerns oder die Angst vor dem Glücklichsein nennen. Und was kommt dann, wenn es einem gut geht? Wie kann man den Zustand der vollkommenen Sorgenfreiheit erhalten und auch noch glücklich erleben? Warum sind so viele Menschen bei uns unglücklich, obwohl sie gesund und wohlgenährt und sorgenfrei sind?

Vor ein paar Tagen war eine neue Patientin in meiner Praxis. Sie leidet unter einer seltenen Stoffwechselkrankheit, seit ihrer Geburt. Diese Krankheit betrifft ihre gesamte Familie, vor allem ihren Vater. Und so hat sie schon als Kind erlebt, wie ihr Vater mit seiner eigenen Erkrankung positiv umgegangen ist, ab dem Alter von 45 ständig Sauerstoff brauchte, um atmen zu können, und mit 51 Jahren gestorben ist. Als sie noch ein Kind war, war sie mehrmals so schwer krank, dass ihr Vater schon das Datum ihres Begräbnisses in seinen Kalender eingetragen hat. Doch sie wollte leben, immer wollte sie leben, bis heute. Heute ist sie etwa 60 Jahre alt, nach einem ‚normalen’, erfüllten Berufsleben bereits in Pension und ständig auf Achse, um jeden Tag das zu tun, wozu sie wirklich Lust hat. Und sie hilft anderen, mit ihrem Schicksal fertigzuwerden. Sie und Franz sind zwei Menschen, die schon längst hätten verzweifeln können, die schon längst tot sein könnten. Aber gerade sie strahlen das pure Lebensglück aus. Und warum? – Weil sie wissen, was es wert ist, dieses unser Leben! Wissen Sie es? Leben Sie jeden Moment in vollen Zügen, mit dem Bewusstsein, dass es jeden Moment aus sein könnte? Anstrengend? Ja, vielleicht. Aber für unsereins deshalb, weil es keine Notwendigkeit ist. Weil wir glauben, dass es immer so weitergeht. Weil wir durch unseren Körper nicht gezwungen werden, zu leben oder eben zu sterben … Bewegung ist Leben. Stillstand ist Tod.Auch die Chinesen sagen das. Die Definition von Leben und von Gesundheit ist, dass ‚alles gut fließt’. Sobald etwas in unserem Körper, Qi oder Blut oder Flüssigkeiten oder Schleim oder Hitze oder Kälte oder Nahrungsmittel, nicht mehr gut fließt, kommt es zu einer Blockade und diese macht dann die Probleme. Sie verhindert, dass es ‚gut fließt’ und die Blockade wird immer größer und größer. Außer, man tut etwas gegen die Blockade, man steuert gegen, man akzeptiert dieses Steckenbleiben nicht und bewegt sich, seinen Geist, seinen Körper, wendet Methoden (verschiedene Heilmittel oder Heilmethoden) an, um die Blockade zu lösen. Man tut also etwas, schluckt nicht einfach den Ist-Zustand hinunter, sondern handelt. Und dieses Handeln verändert alles! Wenn man nichts macht, dann wird man eben krank und stirbt. Wenn man ignoriert, was da für eine Zeitbombe in einem tickt, dann wird sich die Evolution einmischen und sagen: „Hey, sorry, ich muss dich abschalten.” So ist sie, die Evolution. Tiere haben noch viel besser diese Instinkte, um gegenzusteuern, wenn sie spüren, dass da etwas im Körper nicht mehr passt. Tiere gehen zum Beispiel aus dem Wind, wenn sie merken, dass er ihnen nicht guttut. Wir denkenden Menschen bleiben im Wind, auch wenn wir merken, dass er uns nicht guttut. Stress ist zum Beispiel nichts anderes als Wind. Der tägliche Stress, den wir uns einreden zu brauchenoder der eben so ist und da kann man nichts tun. Der Untergang unserer Gesundheit ist oft unser denkendes und entscheidendes Vorhirn, weil es verhindert, dass wir auf unsere Überlebensinstinkte hören. Die Wurzel unserer Zivilisationskrankheiten ist unser denkendes Vorhirn. Nur wenn Sie wieder spüren, was Ihr Leben, was unser Stress-Leben, unsere tägliche Ernährung in unserem Körper anrichtet, werden Sie etwas dagegen machen. Denken Sie an Franz, an meine Patientin. Diese zwei haben keine Wahl gegenzusteuern. Sie müssen es tun, um zu überleben, oder sie sterben eben. Wer früher stirbt, ist länger tot. Nicht mehr und nicht weniger.

Es ist noch früh heute. Sonntag, sieben Uhr. Die Kinder und meine Frau schlafen noch. Die Hunde blicken mich erwartungsvoll an. Sie wissen, was kommen könnte. Ich denke an Franz. Ich ziehe meine Laufschuhe an und denke an Franz. Ich nehme die Leinen der beiden, hänge sie an und in der Stille des ländlichen Sonntagmorgens traben wir los, wir drei, das Bild von Franz immer in meinem Kopf. Wir sind schnell aus dem kleinen Ort raus, niemand sonst auf der Straße. Erstes Leben wird erst mit den Glocken zur Sonntagsmesse um 10 Uhr eingeläutet werden. Aber da sind wir längst zurück, um uns vor dem sonntäglichen heiteren Dorftratsch zu verstecken. Diese Heiterkeit und Unbeschwertheit könnte ich heute nicht ertragen. Enda zieht schon wieder, kann es nicht erwarten zu schnüffeln und zu hoffen, irgendetwas zu jagen. Gerade darum kann ich sie, die zwölfjährige Münsterländerdame, nicht rennen lassen. Findus blickt mich an. Ja, dich mache ich gleich los. Ich weiß, du bleibst bei mir, verlässt mich nicht. Eine Träne rinnt über meine Wange. Die 800 Meter, die wir jetzt etwa zurückgelegt haben, hätten Franz schon an sein Limit gebracht. Ich muss lächeln, wie er mich immer beschwichtigt hat, wie er mich immer angeleitet hat, nicht so sorgenvoll zu blicken. Es gehe ihm gut. Auch den Kindern. Auch der Frau. Wirklich gut. Nur nie stehen bleiben. Immer weiter. Abgelenkt von meinen Gedanken merke ich nicht, wie Findus sich immer weiter von uns entfernt. Da komm her, Findus! Und er kommt. Franz ist tot. Gestern gestorben. Nicht beim Laufen oder danach, sondern in seinem Bett ist es passiert. Ganz friedlich. Im Schlaf. Ohne Kampf. Angeblich war ein Lächeln auf seinen Lippen. Vielleicht, um uns zu trösten? Vielleicht die Befreiung von diesem Körper? Oder weil es gut war? Franz hat gelebt, wirklich gelebt. Mit ihm ist auch ein Teil in mir gestorben, der Teil der glaubt, ständig alle retten zu müssen. In Wirklichkeit hat er mich gerettet. Er hat mich davor gerettet, das Leben als selbstverständlich zu nehmen. Er hat mich gelehrt, ständig in Bewegung zu bleiben, bis zum letzten Atemzug. Ich fange an, immer schneller zu laufen. Enda blickt mich fragend an. Doch, doch, schneller und schneller. Ich spüre, wie mir die Luft ausgeht, wie sich meine Zwischenrippenmuskeln bei dem Versuch, schneller zu atmen, zu verkrampfen beginnen. Ich weine. Wo renne ich eigentlich hin? Weil ich nicht mehr kann, bleibe ich stehen, die Hände auf meine Knie gestützt, schwerst atmend. Die Hunde kommen freudig zu mir, beide wedelnd. Ihnen hat es gefallen. Vielleicht bin ich ja Franz – oder Sie. Und diese Geschichte ist dazu da, Sie aufzuwecken und an Ihren Franz zu erinnern, der, gleich dem Urinstinkt zu überleben, in jeder Sekunde kämpft, nicht aufgibt und jeden erfolgreich überstandenen Tag mit einem tief empfundenen Lächeln belohnt. Franz ist nicht umsonst gestorben. Franz ist nicht gestorben. Er lebt …

Eine schöne Zeit!

Ihr Kräuterdoktor Weidinger

Dr. Georg Weidinger

Dr. Georg Weidinger

Georg Weidinger geboren 1968 in Wien, studierte Medizin an der Universität Wien, Doktorat 1995, Traditionelle Chinesische Medizin und Akupunktur (unter anderem bei Dr. François Ramakers, Prof. Dr. med. et Mag. phil. Gertrude Kubiena, Dr. Gunter R. Neeb), Diplom 2003, klassisches Klavier und Kompos...
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