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Auf die ‚Return‘-Taste drückte ich soeben, als mir aufging, wie ein Stern aufgeht, worüber ich heute schreiben möchte.

‚Zeugnis ablegen‘ nennt es mein großväterlicher Zen-Lehrer Bernie Glassman Roshi, und er meint damit, eins zu werden mit einer Situation, mit einem Ereignis, mit einer Gegebenheit.
Mit großväterlich meine ich keinesfalls etwas Beschaulich-Gemütliches, sondern vielmehr möchte ich ausdrücken, dass Bernie, so schlicht lässt er sich am liebsten nennen, im allerbesten Sinne ein Ältester ist und als solcher in meinen persönlichen wunderbaren Kreis anderer Ältester gehört. Wobei Bernie den Vorsitz innehat.
Wenn wir auf diese Weise Zeugnis ablegen, kehren wir heim. Das kann sich zwar kein Mensch wirklich vorstellen, der von den Zeugnis-Ablegen-Retreats in Auschwitz gehört hat, es ist nach meinem Erleben aber so. Wenn wir in Stille sitzen, kehren wir, im besten Sinne, heim. Wo immer wir sind, welchen Umständen auch immer wir begegnen. Auch auf dem größten Friedhof in Europa, in Auschwitz-Birkenau. Egal, ob ich Jude oder Deutsche bin, Palästinenserin oder Pole, sehr alt oder sehr jung – wir kehren alle heim, wenn wir bewusst sitzen, atmen, gehen, sprechen und lauschen.

Man übt, der Stille zu lauschen, dem eigenen Herzen.
Man hört dem Ort zu, auf dem man sitzt. Im Wohnzimmer vor einem Blütenzweig oder an der Selektionsrampe in Auschwitz.
Was erzählen die Stimmen? Ich hörte die Toten sprechen.
Wenn ich nach Auschwitz fahre, kehre ich auch noch anders heim. Dort ist das größte Tabu unserer kollektiven Geschichte ‚zu Hause‘. Wenn man Tabus besucht, ist das wie eine Reise in die Unterwelt, gleichzeitig ist es ungeheuer befreiend.
Wisst Ihr, weißt Du, wie viel Energie Tabus aus uns herausziehen, damit der schwere Deckel nicht abhebt? So viel Energie wird frei.
Energie, die dem Leben dient.
Die Toten werden endlich geehrt, und weil es so viele sind, muss man unter Umständen oft dorthin fahren.
Die Lebenden nehmen diese Ehrung vor. Auf festlich-zeremonielle Weise und auf je ganz individuelle Art. Zu Trauer-Zeremonien gehören Tränen. Viele Tränen.
Doch wenn, wie der unvergleichliche Khalil Gibran in einem seiner Gedichte gesagt hat, wenn der Tränenkelch meines Lebens ausgeweint wurde, wie viel Freude vermag er (wieder) zu fassen!
Wunder der Transformation. Und dabei nicht verwunderlich. 

Im November besuche ich mein sechstes Retreat in Auschwitz. Unterstützt Du mich und den Heilungsprozess? www.zenpeacemakers.org

 

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
Kommentare  
# Lisa Klein 2018-06-12 08:48
Danke für diese befreienden Worte
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