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„Ich habe ein Recht auf meine anderthalb Stunden mit Dir!“ hörte ich in dieser Woche und glaubte, mich verhört zu haben. Nein, diese Worte kamen nicht aus dem Mund eines Kindes, dem ich das zur Not noch nachgesehen hätte. Allerdings nicht ohne ein Gespräch über die Freiheit des Menschen.

Jetzt könnte man ja sagen, dass es durchaus schmeichelhaft ist, wenn jemand auf gemeinsamer Zeit besteht, weil sie ihm so kostbar erscheint. Denn wir haben oder hatten wahrscheinlich alle einmal so einen Menschen in unserem Leben, von dem wir nicht genug kriegen konnten. Und wenn es nur die Mutter war, die uns als Baby mit Milch versorgt hat. Oder gestern der DHL-Bote, der es drei Tage hintereinander nicht geschafft hat, meine Klingel zu finden und lieber einen Zettel in meinen Briefkasten geworfen hat, um mich über seine kurzfristige Anwesenheit zu informieren. Seit geraumer Zeit warte ich nämlich auf das Paket mit meinen „Voll Fünfzig“-Bücher, und da könnte ich nun wirklich sagen, dass ich ein Recht darauf habe, sie endlich in Händen zu halten. Von der Vorfreude ganz zu schweigen.

Doch wie steht es nun mit einem Menschen, den man bislang nur viermal gesehen hat? Ich habe jetzt zwar nicht gegoogelt, aber unter ersessenem Recht stelle ich mir einen größeren Zeitraum vor. So zehn bis 20 Jahre etwa. Man korrigiere mich, falls man möchte. Der vorletzte Steinbock (ja, inzwischen ist noch einer dazugekommen) meint nämlich, mich einmal in der Woche zu treffen, sei inzwischen in Stein, wahlweise in den Holztisch des Etablissements gemeißelt. Auslöser war die Tatsache, dass ich in der nächsten Woche dieses Treffen ausfallen lassen werde. Weil es Menschen gibt, die wichtiger sind. Kinder zum Beispiel. Und deren Geburtstag. Diskussion sinnlos. Sie ist letztes Mal bei der ersten Ankündigung auch ausgefallen, die Mundwinkel sanken trotzdem bei meinem Gegenüber.

Doch in dieser Woche hatte ich die Chuzpe, die anderthalb Stunden auf eine Stunde zu verkürzen, weil ich zum Suppenessen eingeladen war. Und plötzlich war es vorbei mit der Contenance des Steinbocks. Ich würde ihm die gemeinsame Zeit stehlen und hätte für einen Ersatz zu sorgen. Meine Antwort, noch erstaunt: „Ich verstehe nicht.“ Er versuchte mir zu verdeutlichen, dass ich ihm die anderthalb Stunden zugesagt hätte und wenn etwas ausfiele, müsse man eben einen Ausgleich schaffen. In etwa wie bei einem Volkshochschulkurs, bei dem man dann eben noch einen anderen Termin bekommt, falls der Referent zufällig kurzfristig vom Blitz getroffen wird. „Ich verstehe nicht.“ Dieses Mal schon ahnend, worauf das Gespräch eventuell hinauslaufen könnte. Und im Geist überschlug ich die Anzahl der Schokoladentafeln, die möglicherweise als eine Art Preis für die anderthalb Stunden angesehen werden könnten. Nicht zu vergessen die rote Rose und den frisch gepressten Granatapfelsaft. Schnell ergaben meine Berechnungen, dass die Kosten dafür weit unter meinem professionellen Stundentarif als Schreiberin lagen. Und ebenso schnell zog sich in mir etwas zusammen. Meine Mutter sagte kürzlich, dass es ein grober Fehler wäre, mich unter Druck setzen zu wollen, weil dann gar nichts mehr ginge. Und recht hat sie. Doch das hatte ich ihm ja letztens schon gesagt. Ist offenbar nicht durchgedrungen. Auf ein Missverständnis mehr oder weniger in meinem Leben kommt es auch nicht mehr drauf an. Oder doch?

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Und wie! Vor allem, wenn es um Freiwilligkeit und Freiheit geht. Man gibt Zeit freiwillig, wie man sich selbst freiwillig verschenkt. Ausnahme: Man erhält einen Auftrag, doch das sind andere Voraussetzungen. Ich kann mich nicht erinnern, einen Escortservice-Vertrag unterschrieben zu haben. Und nur weil sich zwischen den Hörnern des Steinbocks ein Schwarm Schmetterlinge niedergelassen hat, ist das für mich kein Auftrag. Und so erklärte ich ihm, dass es für mich einen Unterschied gebe zwischen stehlen und „nicht geben“. Denn Diebstahl würde bedeuten, dass die gemeinsame Zeit oder gar ich einen Besitzer hätten. Man kann mir mein Auto stehlen, meine Handtasche oder vielleicht auch mein Lächeln, aber den entzückenden Sohn meiner Nachbarin kann man mir nicht nehmen. Weil er mir nämlich nicht gehört. Sondern nur sich selbst. Und wenn er mit mir Kekse essen will, dann ist das seine Entscheidung und nichts, wofür ich mir einen ständigen Termin eintragen müsste.

Ich gebe meine Zeit, wenn ich bereit dafür bin – innerlich und äußerlich. Natürlich habe auch ich Routinen in meinem Leben, die mir lieb und teuer sind. Ingwer-Tee nach dem Aufstehen, mein Schtammtisch (kein Tippfehler!) oder aktuell Weihnachten zum Beispiel. Doch wenn das Leben eine Unterbrechung von Routinen erfordert, ist das eben so. Und dann kann man umdenken, kreative Lösungen finden, neue Wege gehen. Wenn man will. Und ich bin die Letzte, die sich diesen Ansätzen verschließt. Im Gegenteil. Oft hat sich der Umweg als interessanter und ereignisreicher erwiesen als die Erstlösung. Doch in diesem Steinbock-Fall sehe ich kein Licht am Ende des Tunnels. Weil ich in diesen Tunnel gar nicht hinein will. Da können die Schmetterlinge noch so verlockend flattern. Im Gegenteil. Sie zeigen mir eines: Man kann sich entwickeln. In jedem Alter. Und sich nicht einfach einen Menschen suchen, der einen bespaßt, nur weil man selbst keine Ideen hat, wie Zeit sinnvoll genutzt werden könnte. Fast bin ich traurig, dass der Steinbock sich ausgerechnet mich dafür ausgesucht hat. Denn einen freiheitsliebenderen Menschen als mich hätte er kaum finden können. Einen, der sich lieber verschenkt als besitzen lässt. Das habe ich ihm auch gesagt. Seit zwei Tagen kam keine Nachricht mehr - endlich dürfte ich mich verständlich ausgedrückt haben. Wenn das kein versöhnlicher Jahresausklang ist!

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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