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Die renommierte Yoga-Lehrerin Anna Trökes stellt ihr spirituelles Lieblingsbuch vor und führt uns ein in das Yoga Sutra des Patañjali.

spirituelles LieblingsbuchAls Desikachar im Mai 1992 das erste Mal nach Berlin kam, brachte er vielen von uns jungen Yoga-LehrerInnen das erste Mal das Yoga Sutra wirklich nahe.
Im Gegensatz zu der äußerst tiefgründigen Übersetzung dieses Textes von Deshpande und Bettina Bäumer (‚Die Wurzeln des Yoga‘) schenkte uns Desikachar eine Einführung im Sinne einer Übertragung der Sutras. Übertragung meint hier, dass er nicht den Anspruch hat, immer eine wörtliche, ganz dicht am Sanskrit-Text bleibende Übersetzung zu geben, sondern vielmehr Worte zu wählen und Zusammenhänge herzustellen, die auch ein moderner westlicher Mensch versteht und die es ihm erlauben, mühelos einen Transfer in sein alltägliches Denken, Fühlen und Handeln herzustellen. Nur so kann der Text wirklich auch für die Menschen wirksam werden, die gerade erst beginnen, in die Wissenschaft des menschlichen Geistes einzutauchen, so wie sie das Yoga Sutra beschreibt. Für mein Gefühl ist ihm das hervorragend gelungen.
Dieser etwa 2.000 Jahre alte Grundlagentext, der dem Weisen Patañjali zugeschrieben wird, erklärt ausführlich den achtgliedrigen Yoga-Weg (Ashtanga-Yoga). Dieser Weg umfasst verschiedene Übungsbereiche: allgemeine Regeln zum Umgang mit der Umwelt und sich selbst (Yama & Niyama), Körperübungen (Asanas), Atemübungen (Pranayamas), das Einüben des Zurückziehens der Sinne (Pratyahara), der Konzentration (Dharana) und der Meditation (Dhyana), die alle in äußerst komplexer Weise miteinander verwoben sind und in äußerst strukturierter Weise aufeinander aufbauen.
Die wichtigsten Lehren des Yoga Sutra beschäftigen sich jedoch mit einer ausführlichen Analyse der Funktionsweisen unseres Geistes. Ich bin immer wieder erstaunt, in welcher Genauigkeit und Differenziertheit Patañjali beschreibt, wie Wahrnehmung, Denken und Fühlen entstehen und vor allem, in welchem unfassbaren Maße unser Geist normalerweise sich selbst überlassen ist. Ein solcher Geist ist hochgradig reaktiv und erschafft uns immer wieder leidvolle Erfahrungen.
Im Yoga Sutra finden wir viele Methoden, die geeignet sind, den Geist zu beruhigen, zu sammeln, zu stabilisieren und ihn zu klären. Die meisten dieser Methoden sind extrem alltagstauglich und decken sich auf immer wieder überraschende Weise mit den Erkenntnissen der modernen Neurowissenschaften – und der buddhistischen Psychologie. Das Wissen, das uns das Yoga Sutra vermittelt, ist somit zeitlos und von hoher Aktualität.
Patañjalis Text in der Übertragung von Desikachar ist ein besonderes Buch. Desikachar, der das Wissen um das Yoga Sutra von seinem Vater Krishnamacharya, einem der bedeutendsten Yoga-Lehrenden der Moderne, empfangen hatte, wandte sich erst spät dem Yoga zu. Bevor er seinerseits einer der einflussreichsten indischen Yoga-Lehrer im Westen wurde, hatte er als Ingenieur gearbeitet. Als er anfing zu lehren, merkte er, dass er das Wissen des Yoga seinen westlichen Zuhörern anpassen musste. Er sagte immer wieder, dass er als Yoga-Lehrer gleichermaßen der Tradition wie auch den heutigen Menschen mit ihren Bedürfnissen verpflichtet sei.
Desikachars Yoga Sutra begleitet mich seit Jahren. Es berührt mich immer wieder mit seinen genauen und tiefgründigen Kommentaren zu den Sutras und seinen eingängigen Übersetzungen. Sie schaffen es, im Gedächtnis zu bleiben, um dort als eine wundervolle Saat der Geistesschulung aufzugehen.

Anna Trökes ist eine der renommiertesten Yoga-Lehrerinnen Deutschlands. Seit 1974 unterrichtet sie Yoga und ist Autorin zahlreicher Bücher.

Kommentare  
# Soraya 2018-07-19 09:18
Das Buch habe ich auch gelesen und es hat mich viele Jahre begleitet.
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