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Jetzt hat mich tatsächlich ein Mann entlarvt. Rote Schuhe, Ohrring mit einer baumelnden Mikromaus, humorvoll – und ich dachte schon, die Männer mit Klarsicht gibt es nur in der Brillenwerbung.

Neulich bei einem Konzert mit 70er-Jahre-Funk-Rock-Soul-Crossover-Beschallung. Meine schick beschuhte Freundin und ich warten bei einem Feierabendbier auf den ersten Gitarrenakkord, tauschen uns über Mängel und Männer aus. Wir lachen viel, was die Blicke anderer auf uns zieht. Offenbar ist es immer noch nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen, dass diese Art von Muskelarbeit extrem entspannt. Manche gehen lieber ins Fitnessstudio, als eine Miene zu verziehen. Dabei kommen durch ein herzhaftes Lachen rund 100 Muckis in Bewegung – diese Maschine muss mir erst jemand zeigen, die das schafft. Aber da sollte ich vorsichtig sein, denn meine beiden Leihsöhne gehen beide dorthin zum Bodyshapen und lieben es, meine Weltsicht zu erschüttern.

Meine Freundin und ich waren trotzdem ziemlich fit und wild entschlossen, nach einem eher tanzfreien Sommer endlich wieder in Schwingung zu geraten. Warmlachen statt Warmlaufen quasi. Irgendwann setzte sich ein Mann zu uns auf die umdrahtete Mauer und flocht sich behutsam in unser Gespräch. Achtung, Klischee! Wir unterhielten uns gerade über Schuhe, und da konnte er gut mithalten, denn seine Sneakers waren roter als das Gummiboot. Er erzählte, dass er reifere Frauen spannender findet als junge und 17 Jahre in Goa verbracht hätte. Ja, auch dieses Klischee hat er erfüllt. Doch seine Augen waren blau wie der berühmte Bergsee – was bringt mich nur dazu, so etwas zu schreiben? Wie auch immer. Was davon ablenkte, war eine kleine weiße Maus, deren Schwanz an einem Schmuckdraht befestigt war. Sie gewann immer wieder den Entscheidungskampf um die Frage, wo man denn zuerst hinschauen soll – so blau konnte der Bergsee gar nicht sein.

Wir blödelten hin und her, wie es manchmal nur zwischen Fremden geht, weil man nichts zu verlieren hat. Und erfuhren darüber hinaus, dass er sich der digitalen Welt verweigert, der Elektronik nur in Form einer Stereoanlage huldigt und 58 Jahre alt ist. Ein wenig zweifelte ich an seiner Elektronikabtrünnigkeit, denn seine überaus kreative Frisur ist ohne einen Haarschneider nicht zu bewerkstelligen. Ersparen Sie mir eine Beschreibung – mir fehlen die Worte. Und sie fehlten mir auch, als er plötzlich in meine Richtung sagte: „Du bist eine Pippi Langstrumpf.“

Ich habe keine Ahnung, wie er zu dieser Einschätzung kam, doch ich habe mich selten so wahrgenommen gefühlt. Ich besitze zwar weder das Äffchen noch ein Pferd, schon alleine deshalb, weil ich Letzteres nie tragen könnte und es in meiner Welt ja genau umgekehrt sein müsste. Das mit dem Affen passiert nur dann, wenn mir wieder einmal jemand den seinen auf die Schulter setzt und ich mir eine Strategie überlege, wie ich ihn loswerden kann. Gut, das mit dem Haus stimmt, auch dass es bunt ist – doch sieht man einem Menschen an, in welcher Art von Immobilie er wohnt?

Das letzte Mal, als ich meine Haare zu Zöpfen zusammengebunden hatte, fällt in meine Volksschulzeit, schon damals wurde mir auch beigebracht, immer zwei gleiche Strümpfe anzuziehen. Was mich dazu bringt, dass meine Mutter sehr lebendig und mein Vater alles andere als ein Südseekönig ist. Er ist sehr reisefreudig, doch dass er eine Affinität zum Taka-Tuka-Land hätte, ist mir bisher entgangen. Womit sie mich allerdings – rein genetisch – ausgestattet haben, ist der Mut, über den ich mich selbst oft wundere.

Nicht, dass ich das absichtlich täte. Doch irgendwie mache ich schon Dinge, die anderen gar nicht in den Sinn kämen. Alleine verreisen zum Beispiel. Vermeintlich indiskrete Fragen stellen. Mit Wildfremden mitgehen, nur weil man die beste Aussicht auf den ‚Palast der Winde‘ erhaschen will. Oder mich mit Fremden zu unterhalten, die eben nicht dem Durchschnitt entsprechen. Stromlinienförmig fand ich immer schon langweilig, unabhängig vom Geschlecht. Ich wollte und will mich mit etwas beschäftigen, was konträr zu mir ist, was mich bereichert und zu meiner Entwicklung beiträgt. Auch wenn das hin und wieder zur Folge hatte, dass ich mich fragte, wozu diese Erfahrung jetzt wieder gut war. Im Nachhinein stellte sich der tiefere Sinn stets heraus. Bis zum heutigen Tag. Und genau das finde ich spannend.

Vielleicht hat der Rotbeschuhte meine Pippi-Mentalität an meiner Haremshose und den Pommel-Sandalen abgelesen, mit denen ‚man einfach nicht zu einem Rockkonzert geht‘. Oder seine Bergsee-Augen haben tatsächlich tief geblickt. Nach seinem Namen habe ich ihn nicht gefragt, ein Wiedersehen bleibt dem Zufall überlassen. Habe ich eine Chance verpasst?

 

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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