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Aus einem Magazin fällt mir in Zeiten wie diesen ein Heftchen entgegen, das ‚unseren EM-Spielplan‘ mit einem knatschgelben Stöckelschuh auf einem Fußball ankündigt. Ich weiß nicht, was ich mir erhofft habe. Klischees aber definitiv nicht.

Das Fußballfieber hat mich zeit meines Lebens in Wellen überkommen. Als Kind war der Stolz auf Hans Krankls Cordoba-Tor ausschlaggebend dafür, dass ich unbedingt ein Sticker-Album haben wollte und entsprechend ‚naaaaaaaarrisch‘ nach den Aufklebern war. Mit der sinkenden Qualität der heimischen Kicker und dem fortschreitenden Leben, das viel mehr bot, als einem Ball hinterherzuschauen, habe ich die Pille etwas aus den Augen verloren. Oder hing es mit den Vokuhila-Frisuren zusammen?

Die nächste Welle kam Ende der 1990er Jahre, als dieses Schnuckelchen von David Beckham in die Gazetten kam und mir bewusstwurde, dass die Vokuhila-Ära endgültig vorbei war. Glücklicherweise war auch mein Jüngster zunehmend in einem Alter, in dem ich ihn für Fußball begeistern konnte, ohne zugeben zu müssen, dass ich Spiele wegen der Spieler schaute. Doch das hatte einen Vorteil: Ich habe mir ganz nebenbei auch einiges Wissen angeeignet. Denn bei allem Glotzen konnte ich die dazu gelieferten Informationen einfach nicht ausblenden. Dass ich dabei manches tolerieren musste – Stichwort „Zwei Minuten gespielt, noch immer hohes Tempo“ -, mir wahlweise Seitenstechen vor lauter Lachen geholt habe, nahm ich gerne in Kauf.

Und weil ich selten etwas halbherzig tue, begann ich, mit meinem Jüngsten wieder Sticker zu sammeln. Wir waren ein Superteam. Er riss die Päckchen auf, ich zog die Folien von den Bildern, er klebte. Doch das Blöde daran war: Die Sticker, die man wollte, ließen auf sich warten. Also wanderten wir zur Sticker-Börse. Das erste Mal ziemlich naiv, nur mit einem Packerl Doppelter im Sackerl. Das zweite Mal hatten wir unsere Lektion gelernt: Wir organisierten uns. Auf einen Zettel kamen die Nummer derer, die wir wollten, auf einen anderen die, die wir hatten. Wir teilten uns die Aufgaben und unsere Ausbeute war immer ziemlich gut. Erkenntnis nebenbei: Ich kann auch Kampfmutter.

Das Album bekamen wir nie voll – seit kurzem weiß ich, dass man durchschnittlich rund 600 Euro investieren muss, um das zu schaffen. Um dieses Geld könnte ich aktuell 30 Leute zum Spiel Deutschland – Ukraine einladen. Stattdessen werde ich mich wohl entweder zu einem Public Viewing verfügen und dort mit anderen fußballbegeisterten Frauen auf ‚Männerschau‘ gehen. Mit einem tränenden Auge. Denn es wird das erste Großereignis seit zehn Jahren sein, bei dem ich keinen mitfiebernden Jungen neben mir habe, der mit zunehmendem Alter auch zunehmende Fußballkenntnis entwickelt und inzwischen fast die Körpergröße des deutschen Torhüters hat.

Und weil ich mit dieser leisen Trauer nicht hinter dem Berg halte, wurde mir kürzlich ein Sticker-Album samt Klebinhalt geschenkt – meine Kusine und ihr Liebster wollten mich wieder heiter sehen. Die doppelten Bildchen halten sich in Grenzen – das Tauschen auf der Sticker-Börse lohnt sich also kaum. Ob ich mir das ganze Set im Internet bestellen soll? Doch das wäre nur der halbe Spaß. Also überlege ich mir, ob ich dem Heftchen mit dem gelben Stöckelschuh folge – Nägel lackieren, shoppen, Cocktails trinken, David Beckham-Modeposter anschauen .... LAAAAAAAAAANGWEILIG! Da setze ich mich lieber ins Auto und düse an den Studienort meines früheren ‚Partner in Crime‘ und hoffe, dass er mich auch dann beschützt, wenn ich bei einer etwaigen Neuauflage von Cordoba für beide Mannschaften juble. Ganz nach der Devise: Hauptsache, das Runde kommt ins Eckige.

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
Kommentare  
# christina 2016-06-14 12:43
super blog, gut gelacht!
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# magclaudiadabringer 2016-06-15 14:41
vielen dank, liebe christina!
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