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Liebe ist nicht nur ein Gefühl, das über uns Menschen hereinbricht. Sie erfordert entschiedene Absicht und aktives Tun.

„Was schmerzt die Seele am meisten?", hat der persische Mystiker Rumi gefragt und seine Antwort lautete: „Leben zu müssen, ohne das Wasser der eigenen Essenz zu kosten." Rumis Weisheit ist zeitlos. Ebenso wie vor tausend Jahren sehnen sich die Menschen auch heute danach, zu den Quellen ihres Daseins vorzudringen. Sie leiden an Entfremdung und Herzenskälte und fragen sich: Wer bin ich? Was ist meine Aufgabe in diesem Leben? Wie kann ich meine Wunden heilen und inneren Frieden finden? Was bedeutet es für mich, frei zu sein?
Für die meisten bleibt der Hunger nach authentischer Tätigkeit ungestillt. Sie finden weder die Zeit noch die Anleitung, auf ihre innersten Fragen zu horchen. Getrieben von Existenznöten und Konsumzwang versuchen sie, ihrem Leben einen Sinn zu verleihen, und haben dabei Äußerlichkeiten und Preise im Blick. Wird das Geld reichen, um meinen Bedarf zu decken? Immerzu drängt die Zeit, wächst der Druck. Leistungsanforderungen und Wettbewerb bekümmern schon in frühen Jahren unsere Kinder. Wo gibt es einen Ausweg aus den Stress-Spiralen, die zu psychischen Erkrankungen, Depressionen und plötzlichem Herztod führen?
Erich Fromm schreibt: „Trotz unserer tiefen Sehnsucht nach Liebe halten wir doch alles andere für wichtiger als diese: Erfolg, Prestige, Geld und Macht. Unsere gesamte Energie verwenden wir darauf zu lernen, wie wir diese Ziele erreichen, und wir bemühen uns so gut wie überhaupt nicht darum, die Kunst des Liebens zu erlernen."
Buddhas Herz-Meditation ist eine ebenso einfache wie ungewöhnliche Methode, auf Ängste und Daseinsnot zu antworten und die heilende Kraft der Liebe zu erfahren. „Wenn ihr mit Hilfe der Herz-Meditation Wohlwollen und Vertrauen in eurem Geist aussät, werdet ihr Wohlergehen ernten", hat Buddha gepredigt.
Die Herz-Meditation wird im Buddhismus Metta-Meditation genannt. Metta ist ein Wort aus der Pali-Sprache, die zu Buddhas Lebzeiten gesprochen wurde. Metta bedeutet Wohlwollen, Herzenswärme, Sympathie, Freundschaft, liebende Güte. Wir können Metta als eine Geisteshaltung beschreiben, die bedingungsloses Wohlwollen und ein offenes Herz allem Leben gegenüber zum Ausdruck bringt.
Metta ist die Verkörperung von Liebe in der buddhistischen Lehre. Genau genommen besteht Metta aus einer Mischung von mehreren Herzenseigenschaften:
- Der Fähigkeit, sich mit anderen zu freuen (Mitfreude / Mudita)
- Der Fähigkeit, anderen in ihrem Leid mitfühlend zu begegnen (Mitgefühl / Karuna)
- Der Fähigkeit, zwischen Freude und Leid das innere Gleichgewicht zu wahren (Gelassenheit / Upekkha)
In jeder einzelnen der vier Herzenseigenschaften (Metta, Karuna, Mudita und Upekkha) sind stets auch die anderen drei enthalten.

In der Herz-Meditation formulieren Meditierende im Geist vier kurze, klare Wünsche, die sie kontinuierlich zu sich selbst oder zu anderen hin senden. Sie sagen zum Beispiel: „Möge ich glücklich sein, möge ich in Frieden leben." Oder: „Mögest du Trost finden in deinem Leid." Dadurch baut sich im Herzen Vertrauen und ein Gefühl des Beschütztseins auf.
Wie entfaltet die Herz-Meditation ihre Wirkung?

Ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie unmittelbar Menschen von der Einfachheit und Klarheit dieser Übung angesprochen werden. Einerseits wirkt die Herz-Meditation beruhigend, andererseits bekräftigt sie die Begegnung mit der eigenen Lebenswirklichkeit. Zu Beginn eines Herz-Meditations-Kurses bemerkte eine Teilnehmerin: „Ich dachte, ich hätte gut für mich gesorgt, doch nun sehe ich, wie viel ich im Alltag verdrängt habe, lauter ungelöste Probleme türmen sich vor meinem inneren Auge."
Die Herz-Meditation gilt als innere Reinigungspraxis. Die Metta-Sätze bringen uns zur Besinnung, helfen uns zu unterscheiden: Was will in meinem Leben zur Erfüllung kommen? Erlaube ich mir, Unterstützung zu finden? Lebe ich gesund? Gewähre ich mir genügend Schutz? Kann ich auch mal den Witz bei der Sache sehen?
Mit dem inneren Sprechen dieser Wünsche üben wir, die Aufmerksamkeit bewusst auf wohlwollende Gedanken und Gefühle zu lenken; dadurch wird ein Licht geworfen auf das, was uns hindert, liebevoll mit uns selbst und anderen umzugehen. Wer sich auf diese Meditation einlässt, verfängt sich weniger im Gestrüpp von Verdrängung und unrealistischer Erwartung. Es wächst das Vertrauen, seinem Leben gewachsen zu sein und es zum Guten wenden zu können.
Ganz gleich, ob man schon Meditationserfahrung hat oder ganz am Anfang seines spirituellen Weges steht – die Herz-Meditation lehrt uns, Gefühle und Handeln klug auszurichten. Jeder Metta-Wunsch wirkt wie ein Same, der die potenzielle Energie einer guten Absicht in sich trägt. Unablässig werden in Herz und Geist diese Samen ausgestreut. Währenddessen ist es kaum möglich, negative Gedankenketten zu spinnen oder sich seinem streunenden Denken zu überlassen. Das ist eine nicht zu unterschätzende günstige Wirkung. Man fühlt sich den eigenen Gedankenmustern weniger ausgeliefert. Stattdessen kehren Übende immer wieder zurück zum inneren Gegenüber, sie nehmen wieder und wieder Beziehung zu ihrem Meditationsobjekt auf und versuchen, dabei zu bleiben.

Inneres Auftanken durch die Herz-Meditation
Diese innere Bewegung weg von dem Streben nach Äußerlichkeiten, hin zu den zentralen Herzenswünschen bringt Struktur in das eigene Dasein. Die Gefahr, innerlich auszubrennen, der heute so viele ausgesetzt sind, wird spürbar verringert. Durch die Herz-Meditation lernt man, dass die inneren Batterien regelmäßig aufgeladen werden möchten, und man weiß auch, wo sich die Ladestation befindet. ‚Ressourcenbewusstsein' nennt das die moderne Psychologie. Psychisches Auftanken findet regelmäßig in der Meditation statt und zeigt beglückende Wirkung. Ein Kursteilnehmer stellte fest: „In meinem innersten Wesen fühle ich mich gesund und stark, mein Herz ist sehr lebendig. Wenn ich in aller Ruhe zu mir hinschaue, bin ich glücklich mit mir." So wird das Nippen am Wasser der eigenen Essenz zur Quelle der Erneuerung. Ganz natürlich entsteht der Wunsch, dieses Geschenk mit anderen zu teilen.
Die Herz-Meditation stärkt ein liebevolles Miteinander
Es gibt keine spirituelle Weiterentwicklung ohne Veränderung und Entwicklung unserer Beziehungen. Eine heilsame, mitfühlende Spiritualität kommt besonders in unserem Beziehungsverhalten zum Ausdruck. „Meine Religion heißt Freundlichkeit", betont der Dalai Lama immer wieder. Freundschaft gilt im Buddhismus als spirituelle Praxis und die Herz-Meditation ist eine Übungsmethode, die die Freundschaft mit sich selbst und anderen unterstützt. Je achtsamer wir werden, desto mehr entdecken wir, dass nichts in unserer Erfahrung unabhängig von anderen ist. Wir sind vollkommen miteinander verwoben, es gibt keine voneinander getrennte Existenz, hat Buddha erkannt und gelehrt.
Die Herz-Meditation ist eine Form des bewussten Beziehungstrainings, weil wir in dieser Meditation ständig damit beschäftigt sind, Kontakt zu unserem Meditationsobjekt (den Metta-Sätzen) und zum inneren Gegenüber herzustellen. Ganz von selbst erwachsen aus der Herz-Meditation Fragen wie: Kann ich durch mein Handeln meine Liebe zum Ausdruck bringen? Zeige ich meine Wertschätzung, meinen Respekt? Metta umfasst alle Dimensionen der Liebe: füreinander sorgen, innere Verpflichtung, Verantwortlichkeit, Weisheit, Mut. Wenn wir Metta üben, erinnern wir uns im Alltag ständig daran, eine nicht wertende, wohlwollende Haltung einzunehmen.

Wie sich die Herz-Meditation von der Achtsamkeitsmeditation unterscheidet
Von all den vielen Meditationsmethoden, die der Buddha lehrte, hat er zwei immer besonders hervorgehoben: die Achtsamkeit auf den Atem (Anapanasati) und die Entwicklung von Herzenswärme, die Herz-Meditation (Metta). Beides sind sogenannte Ruhe-Meditationen (Shamata), die Stille und Sammlung im Geist bewirken.
Charakteristisch für die Ruhe-Meditation ist das kontinuierliche Zurückkehren zu einem zentralen Meditationsobjekt, wie zum Beispiel dem Atem oder dem Metta-Satz. So werden zunehmend zerstreute Geisteskräfte gebündelt. Eine innere Verankerung im Gewahrsein baut sich auf und der Geist kann Frieden finden.
Neben diesen beiden Ruhe-Meditationen ist heutzutage wohl die Achtsamkeitsmeditation (Vipassana) am bekanntesten, nicht zuletzt, weil sich auch die MBSR-Methode auf Achtsamkeitsmeditation gründet. In der Achtsamkeitsmeditation braucht der Geist mehr Flexibilität, denn sein Meditationsobjekt wandelt sich von Moment zu Moment. Meditierende scannen ihre aktuellen Sinneseindrücke, erkennen die jeweils herausragende Sinneserfahrung in diesem Augenblick und ziehen intuitive Erkenntnis daraus. Achtsamkeitsmeditation setzt einen Geist voraus, der sich sammeln kann, der nicht so leicht weggerissen wird aus dem Hier und Jetzt der Erfahrung. Die Ruhe-Meditation ist daher eine geeignete Vorübung für die Achtsamkeitsmeditation. Beide Methoden gehen Hand in Hand, wie Geschwister, sie können sich gegenseitig ergänzen und auch unabhängig voneinander praktiziert werden.
Langfristige Auswirkungen der Herz-Meditation
Durch die Herz-Meditation wächst ein inneres Erfülltsein, das uns nicht mehr so anfällig sein lässt für die Versuchungen der Konsumwelt. Die Bereitschaft, sich selbst zugunsten von zweifelhaften Gewinnen auszubeuten, verkümmert, während ein partnerschaftliches Zusammenleben zunehmenden Stellenwert bekommt. Mitgefühl und Empathie ersetzen Vergleich und Wettbewerb im Miteinander, weil Beziehungen höher eingeschätzt werden als materielles Vorankommen und lebendige Wesen mehr Wert besitzen als Dinge. Wir haben Freude daran, einfacher und genügsamer zu leben und dabei auch an kommende Generationen zu denken. Das Verlangen, Dinge zu besitzen, wird ersetzt durch den Impuls, Verbindungen aufzunehmen und zu pflegen. Der Schweizer Meditationslehrer Fred von Allmen hat aufgelistet, wohin die Herz-Meditation führen kann. Da heißt es unter anderem: „Kein Interesse mehr an Konflikten; kein Interesse mehr, die Handlungen anderer zu interpretieren; kein Interesse mehr, andere zu verurteilen; häufige und überwältigende Momente der Wertschätzung; zufriedene Gefühle der Verbundenheit mit anderen und der Natur; eine zunehmende Wahrnehmung der Liebe, die von anderen ausstrahlt, als auch der unkontrollierbare Drang, sie zurückzulieben ..."
Einst erzählte ein amerikanischer Indianer-Schamane dem Psychoanalytiker Carl Gustav Jung, dass die weißen Menschen so grausam und voller Ärger seien, weil sie mit ihren Köpfen denken. Gesunde, zufriedene Menschen, sagte er, würden mit dem Herzen denken. Die Herz-Meditation vermittelt uns genau diese Fähigkeit, mit dem Herzen zu denken, vom Herzen her der Welt zu begegnen. Die Herzenskräfte, die Rumi in seinem Leben zur höchsten Vollkommenheit entwickelt hat, stehen mit der Herz-Meditation uns allen offen. „Ich bin so klein, man kann mich kaum sehen, wie kann die Liebe in mir nur so groß sein?", ruft Rumi aus. Und er antwortet sogleich: „Schau deine Augen an. Sie sind auch ganz klein, doch sie können enorm Großes sehen."

 

Marie Mannschatz

Marie Mannschatz

Marie Mannschatz hat mehr als zwei Jahrzehnte in freier Praxis als Gestalt- und Körpertherapeutin gearbeitet. Sie praktiziert Vipassana-Meditation seit 1978 und wurde in den neunziger Jahren von Jack Kornfield zur Lehrerin ausgebildet.Marie Mannschatz lebt in Schleswig-Holstein und lehrt in Europa ...
Kommentare  
# Peter w 2016-06-27 13:32
Liebe Frau Mannschatz,
Vielen herzlichen Dank für Ihren wundervollen Beitrag! Ich habe sogar meine Haltestellt verpasst weil ich so vertieft war in ihrem Beitrag!
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# Annaruschta 2016-06-27 13:32
Zum Glück habe ich es zuhause gelesen! :D
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