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Achtsamkeit & Meditation

Wir trafen den bekannten Yoga-Lehrer Richard Freeman zu einem Gespräch und erfuhren mehr über seinen Yoga-Weg und warum Yoga immer beliebter wird. 

Wann haben Sie angefangen, Yoga zu praktizieren?
In den 1960er Jahren habe ich erstmals von Yoga gehört und war sofort begeistert. Ich hatte das Gefühl, dass ich Yoga einfach praktizieren musste. Ich war damals Student und dort, wo ich lebte, gab es keinen Yoga-Lehrer. Also las ich anfangs nur über Yoga. Später habe ich dann gemeinsam mit einem Freund einen Zen-Tempel in Chicago gefunden. Dort gab es einen Roshi, der wurde mein erster Yoga-Lehrer. In diesem Tempel lehrten sie jedoch nur eine Yoga-Pose. Im Jahr 1972 brach ich mein Studium ab und ging nach Asien. Ich besuchte eine Vielzahl von Ashrams. So wurde ich ein hinduistischer Mönch in Indien. Die erste Aufgabe, die ein Mönch damals bekam, war es, zu reisen, um neue Eindrücke zu sammeln und seinen Horizont und den Geist zu erweitern. Das ist ein sehr schöner Teil dieser Tradition, man hat somit nicht nur einen, sondern viele Lehrer und lernt viele verschiedene Sichtweisen kennen.

Was hat Sie am stärksten beeinflusst?
Ich mache größtenteils Ashtanga-Yoga nach Pattabhi Jois. Momentan versuche ich jedoch, Buddhismus und Yoga zusammenzubringen. Gemeinsam mit Robert Thurman (Anmerkung der Redaktion: US-amerikanischer buddhistischer Autor) habe ich vor einigen Jahren beschlossen, Retreats über Buddha und Yogis abzuhalten. Wir unterrichten Yoga sowie buddhistische und yogische Philosophie. Es ist unterhaltsam, zu sehen, wenn zur Hälfte Buddhisten und zur Hälfte Yogis gemeinsam praktizieren. Die eine Hälfte liebt es zu sitzen, die andere hasst es zu sitzen. Es braucht normalerweise drei Tage, bis alle anfangen, beides zu schätzen.

Warum verbinden Sie Yoga und Buddhismus?
Buddhismus ist für mich wie Yoga. Ich sehe den Buddhismus als eine Schule an, welche die Vedanta-Verse (Anmerkung der Redaktion: indisch-hinduistische Philosophie) sehr gut interpretiert hat. Es gibt viele Erläuterungen dieser Verse, aber ich persönlich glaube, die buddhistischen sind die besten.

Wurden die beiden Traditionen auch schon früher zusammen praktiziert?
Es gab Zeiten, in denen die verschiedenen Traditionen miteinander kommunizierten und die Menschen gemeinsam praktizierten. Es gab aber auch Zeiten, in denen die Lehren aus politischen Gründen nichts miteinander zu tun haben wollten und sie sich gegenseitig kritisierten. In den Zeiten, in denen die Traditionen miteinander interagierten, blühten sie am meisten auf. Ich glaube daher, dass es heute sehr gut ist, wenn viel zwischen den unterschiedlichen Traditionen kommuniziert wird. Die meisten Yoga-Schüler kommen nicht aus dem indischen Kulturkreis, genauso wie die meisten Buddhisten im Westen bei der Geburt keine Buddhisten waren. Ich glaube daher, dass Menschen, die sich dem Buddhismus zuwenden, die Lehren genauer betrachten, um zu schauen, was diese für sie zu bieten haben. Es ist wie eine neue Geburt der Lehren.

Verändert sich die Lehre stark, wenn sie in den Westen gelangt?
Sie wird selbstverständlich angepasst. In welche Richtung sie gehen wird, wissen wir noch nicht. Wir stehen noch am Anfang. Ich reise viel und unterrichte in vielen verschiedenen Ländern. In den letzten Jahren habe ich eine Veränderung festgestellt. Es gibt immer mehr Fragen nach den unterschiedlichen Traditionen und Lehren. Ich habe das Gefühl, die Menschen sind offener für neue Ideen geworden.

Warum ist Yoga bei uns so beliebt?
Jeder Mensch hat einen Körper, und die Sprache des Körpers ist universell. Wir alle atmen. Yoga eröffnet neue Welten und auch neue Kulturen. Mein Lehrer Pattabhi Jois hat immer betont, dass Yoga niemandem gehört. Wenn wir Yoga als den mittleren Weg betrachten, der nicht definiert werden kann, weil er zwischen den Vorstellungen liegt, gehört Yoga niemandem. Doch jeder will Yoga besitzen. Die einen sagen zum Beispiel, Yoga gehöre Indien. Es ist leider ganz natürlich, dass das Ego dies verlangt.

Yoga für alle Richard Freeman

Was glauben Sie, wird Yoga hauptsächlich als Lebensart praktiziert oder doch eher als Sport gesehen?
Yoga ist sehr populär geworden, einerseits sicherlich auch, weil es als Sport vermarktet wird. Es gibt aber auch immer mehr Menschen, die in Yoga mehr sehen als nur körperliche Übungen. Um Yoga bekannt zu machen, wird gesagt, dass Yoga dich jung hält, dich sexy und glücklich macht. Wenn wir uns im Vergleich dazu Religionen anschauen, wenden wir uns diesen aus denselben Gründen zu. Wir wollen etwas für uns selbst machen und wir wollen von Leid befreit werden. Es gibt also viele Gründe, mit Yoga anzufangen, mein Lieblingsgrund sind Rückenschmerzen. Egal, welcher Beweggrund am Anfang stand, wenn man die richtige Ausrichtung im Unterricht erfährt, merkt man, was wirklich wichtig ist, und dann kommt irgendwann auch die Ethik dazu. Allerdings könnte es auch passieren, dass es unethisch wird und jemand viel Geld mit den Rückenbeschwerden macht. In welche Richtung es gehen wird, ist immer offen, es kann positiv, aber auch negativ sein. Es könnte der Anfang von Yoga sein oder auch das Ende von Yoga bedeuten.

Was kann Yoga bewirken?
Yoga setzt an den Wurzeln unserer Probleme an. Viele Menschen glauben, alle Probleme entstehen im Außen, die Politiker oder das Wetter sind schuld an ihrem Leid. Aber das Leid entsteht durch Ignoranz und Unwissenheit. Es kann Jahre oder ein ganzes Leben dauern, um wirklich zu den Wurzeln zu gelangen.

Unterrichten Sie Yoga immer als Gesamtpaket mit Meditation und Philosophie?
Manchmal setze ich mich mit meinen Schülern hin und wir lesen nur Philosophie. Aber am liebsten erzähle ich davon während der Asana-Praxis. Alle Praktiken sind miteinander verwoben. Bei Meditation machen wir nicht nur eine Asana, wir atmen auch wie im Pranayama. Die Asana-Praxis sollte eine kontemplative Praxis sein.

Kann uns Yoga auch ohne den geistigen Überbau weiterbringen?
Das hängt davon ab, wie praktiziert wird. Wenn man die Yoga-Bewegungen macht, wird man sich besser fühlen. Die kleinen Dinge im Leben werden wieder geschätzt, wie etwa das Atmen. Das kostet nicht viel, und viele multinationale Konzerne finden, dass Yoga schlecht für ihr Geschäft ist, weil Menschen, die Yoga praktizieren, sich an Kleinigkeiten erfreuen und nicht viel brauchen. Wenn also jemand nur Asanas übt und dies gut macht, hat es sicherlich einen positiven Effekt. Ich kenne Menschen, die kein Interesse an den religiösen Aspekten von Yoga haben, aber trotzdem sehr gut in der Praxis sind. Sie meinen, die religiösen Aspekte seien leer – und damit sind sie eigentlich auf eine humanistische Art sehr spirituell.

Sie sagen, Yoga ist schlecht für das Geschäft, aber Yoga ist doch auch ‚Big Business‘?
Häufig wird ein Yoga praktiziert, das nicht gut ist. Eine falsche Praxis verstärkt das Ego, was dazu führt, dass man im ständigen Wettbewerb zu den anderen steht. In manchen Yoga-Schulen geht es nur darum, welche Kleidung getragen wird. Es geht zu wie in einer Fashion Show und es wird ständig über andere geredet. Es gibt immer auch negative Auswüchse.

Wie wird sich Yoga wohl in den nächsten Jahren entwickeln?
Ich glaube, Yoga geht generell in eine gute Richtung. Es gibt immer mehr Menschen innerhalb der Yoga-Community, die an Ethik interessiert sind. Sie sehen diese als Basis für gute zwischenmenschliche Beziehungen und ihr persönliches Wohl.

Wird Yoga auch auf anderen Kontinenten praktiziert?
In Brasilien gibt es eine riesige Yoga-Community. Überall, wo es friedlich ist und es Stabilität gibt, entstehen Yoga-Communitys. Im Mittleren Osten war Yoga einmal wirklich gut vertreten. Eines der Gebete bei Yoga ist, in einem friedlichen Land geboren zu werden, damit man Yoga praktizieren kann und nicht um sein Überleben kämpfen muss.


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 96: „Buddha’s Way of Life"

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Wie oft machen Sie Yoga?
Jeden Tag. Wenn ich auf Reisen bin manchmal auch nur zehn Minuten, aber an einem normalen Tag ein paar Stunden. Ich liebe es, Yoga zu praktizieren.

Haben Sie irgendein Laster?
Das sollten Sie meine Frau fragen, die wird es wissen.

Richard Freeman praktiziert seit 1968 Yoga. Er ist ein weltweit bekannter Yoga-Lehrer und Autor zahlreicher Bücher und DVDs.

Bilder Richard Freeman © Ursache\Wirkung
Teaser © unsplash

Ester Platzer

Ester Platzer

Ester Platzer, 1979, lebt in Wien und ist Mitglied der Chefredaktion bei Ursache\Wirkung. Davor lebte und arbeitete sie viele Jahre in Ostafrika. Ester absolvierte ihr Magisterstudium in internationaler Entwicklung an der Universität Wien.
Kommentare  
# Helge Schult 2018-02-19 20:27
„Im Zen Tempel lehrten sie aber nur eine Yoga pose.“
Da musst ich lachen. Ich praktiziere auch beide Wege. Bei mir ist der Hauptpfad buddhistisch: Zen. Bemerkenswert finde ich das Unwissen auf beiden Seiten und das Desinteresse obwohl sie meinem Empfinden nach zusammengehören. Es gibt dazu keine überlieferten Quellen allerdings gehe ich stark davon aus, dass Buddha ein durchtrainierter Yogi war. Dies sollten sich die eisernen Zen Anhänger bewusst machen bevor sie meinen stundenlang völlig verhärtet zu verharren. Das gleich gilt für Boddhidharma. Ihm wird die Gründung des Kung-Fu zugesprochen auf dem Fundament seiner Yogapraxis. Er war indischer Mönch, ganz wie Freeman. Soviel zum Zen.
Was ist aber mit den heutigen Yogis?!
Wie schon im Text angedeutet sind die allermeisten im Außen unterwegs. Business, Fashion, Zertifkiate da und dort. Viele meditieren gar nicht.
Instagram ist zugeballert mit Yogapraktizierenden die zum Teil davon sogar leben können.
Ob das so gut ist?!

Ach ja ein Buch über beide Wege wäre toll. Über Licht und Schattenseiten.
Beide sind mir wichtig. Danke für diesen Artikel...
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# Romana Delberg 2018-02-22 14:34
Hallo Helge, es gibt jedenfalls eine sehr interessante Buddhistische Übersetzung/Interpretation der Yoga Sutras von Chip Hartranft. Vielleicht kennst Du sie ja schon?
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