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Achtsamkeit & Meditation

Mitfreude ist ein zentraler Begriff der buddhistischen Geistesschulung und Ethik.
sabbe sattā mā laddha-sampattito vigacchantu
"Mögen alle Wesen erlangtes Wohlergehen nicht verlieren."

Mit diesen einfachen Worten, empfiehlt Buddha, versuche man, Mitfreude (muditā) zu entfalten, die keine Grenzen kennt, eine grenzenlose Haltung ist.

Ein Blick in unsere eigenen Traditionen zeigt wie so oft, dass Buddha ein Entdecker und kein Offenbarer und schon gar kein Phantast ist: er hat Grundzüge unseres Daseins in einmaliger Klarheit entdeckt, die aber wie alle Tatsachen im Prinzip allgemein zugänglich sind. Zunächst fällt auf, dass Mitfreude oder Beifreude im Gegensatz zu Mitleid in unserer Sprache kaum eine Rolle spielt.

Ich denke, Eduard von Hartmann trifft in der ‚Philosophie des Unbewussten' (1890) den Grund dafür, wenn er schreibt:

„Ein reflektorischer Instinkt des Geistes ist die Sympathie oder das Mitgefühl. Wie die Gefühle sich in Lust und Unlust oder in Freude und Leid teilen, so das Mitgefühl in Mitfreude und Mitleid. Jean Paul sagt: »Zum Mitleid gehört nur ein Mensch, zur Mitfreude ein Engel«; das kommt daher, weil die Mitfreude nur dann entstehen kann, wenn sie nicht durch ein anderes Gefühl, den Neid, am Entstehen verhindert wird; dies ist aber bei allen Menschen mehr oder weniger der Fall, während das Mitleid weniger behindert wird, da die Schadenfreude doch für gewöhnlich bei den meisten Menschen sehr gering ist, wenn nicht Hass und Rache sie entstehen lassen. So kommt es, dass die Mitfreude von fast verschwindender Bedeutung ist, während das Mitleid die größte Wichtigkeit hat."

Dabei hatte Martin Luther schon das Wesentliche gesagt:

„Ich höre so oft die Leute klagen, dass ihnen so wenig Freude beschert sei. Diesen will ich nun den guten Rat geben, dass sie sich fein über anderer Wohlfahrt sollen bewegen lassen, und sich mit den Fröhlichen freuen. Da werden sie Freude genug haben. Und das ist eine wahre köstliche Freude, so wir uns über das Wohl anderer freuen, wenn wir auch keinen Nutzen davon haben. Denn so du Nutzen davon hast, so ist deine Freude nichts Sonderliches. Sondern du musst dich freuen, wo dir auch nichts davon zu Teil wird, und sprechen: »Lieber Gott, du hast dem Nachbar ein Gut geschenket, und wiederum gezeiget, dass du es mit den Menschen gut meinest und sie lieb hast.« Ja, sprechen sie, was soll ich mich freuen, wenn ich nichts davon habe. Siehe, das ist der Eigennutz, der aus ihnen spricht, und der alles nur selbst haben will, und keinem Menschen etwas gönnet, sondern es gerne sähe, wenn alle Leute ins Verderben gestürzt werden. Solche Leute werden sich freilich nicht freuen, wenn ihr Nachbar gesund worden, oder sein Haus wieder aufgebauet hat, oder ihm sonst etwas Gutes widerfahren ist, so lange sie ihren schändlichen Eigennutz behalten, und den giftigen Neid nicht aus ihrem Herzen verbannet haben."

Aber da ist eben der verflixte Neid:

„Mit Neid seh' ich des Nächsten Wohlstand an,
Bin nicht zufrieden mit dem Meinen;
Mein Aug sein Glück nit wohl vertragen kann,
Sein Lachen darf mich machen weinen.
Ich kann gar nicht
Der Sonne Licht
Auf Bös' und Gute sehen scheinen."
(Sigmund von Birken, 1656)

buddhistischen Geistesschulung

Was wir neiden, schildert gar trefflich Wilhelm Busch (1874):

„Mein kleinster Fehler ist der Neid. –
Aufrichtigkeit, Bescheidenheit,
Dienstfertigkeit und Frömmigkeit,
Obschon es herrlich schöne Gaben,
Die gönn' ich allen, die sie haben.
Nur wenn ich sehe, dass der Schlechte
Das kriegt, was ich gern selber möchte;
Nur wenn ich leider in der Nähe
So viele böse Menschen sehe,
Und wenn ich dann so oft bemerke,
Wie sie durch sittenlose Werke
Den lasterhaften Leib ergötzen,
Das freilich tut mich tief verletzen.
Sonst, wie gesagt, bin ich hienieden
Gottlobunddank so recht zufrieden."

Dabei bestraft sich der Neid ja selbst, was Friedrich von Logau als ‚Gerechtigkeit des Neides' (1654) bezeichnet:

„Keine Straff ist ausgesetzet
Auf des Neides Gift;
Denn er ist zu aller Zeit
Selbsten voll Gerechtigkeit,
Dass er meistens trifft,
Und sich durch sich selbst verletzet."

Oder Arnold Joseph Toynbee (1889-1975):

„Ich finde, Neid macht den Neidischen nur unglücklich, auch dann, wenn der, auf den er neidisch ist, den Neid rechtfertigt, weil er ihn verdient."

Nochmals Friedrich von Logau:

„Der Neid ist gar ein Wunder-Gast; denn wo er kehret ein,
Da ist das allerbeste Ding sein allerärgste Pein."

Ja, „Neid macht Leid", wie das Sprichwort sagt.

Noch ein Zitat für Kant-Liebhaber:

„Die Regungen des Neides liegen also in der Natur des Menschen, und nur der Ausbruch derselben macht sie zu dem scheußlichen Laster einer grämischen, sich selbst folternden und auf Zerstörung des Glücks anderer, wenigstens dem Wunsche nach, gerichteten Leidenschaft, ist mithin der Pflicht des Menschen gegen sich selbst so wohl, als gegen andere entgegengesetzt." (Immanuel Kant, 1785)

Einen guten Einstieg in Mitfreude nennt uns Jean Paul (1803):

„Wer die zärteste Mitfreude fühlen will, der sehe nicht frohe Kinder an, sondern die Eltern, die sich über frohe Kinder erfreuen."

Vergessen wir aber bei der Entfaltung von Mitfreude nicht, dass wir unseren Mitmenschen Mitfreude nicht allzu schwer machen sollten. Wie, das deuten zwei Sprichwörter an:

„Wer ohne Neid will leben, muss mild sein und gern geben."
„Prahle nicht mit deinem Glücke, willst du meiden Neid und Tücke."

Da bleibt noch der Umgang mit unseren Neidern:

„Wer seinen Neider liebt und Guts von Feinden spricht,
Sag, ob derselbe nicht von Dornen Trauben bricht?"
(Angelus Silesius, 1657)

So ist aus der Zusammenstellung von Zitaten aus unserer eigenen Tradition beinahe eine buddhistische Lehrrede entstanden. Für mich ein weiterer Beweis, dass Buddha Gautama der größte Psychologe aller Zeiten ist.
Lasst uns mit dem österreichischen Jesuitenschüler Aloys Blumauer (1787) sprechen:

„Du böser Neid, flieh Augenblick's,
Du sollst mich nimmermehr betrüben",

denn:

sabbe sattā mā laddha-sampattito vigacchantu – "Mögen alle Wesen erlangtes Wohlergehen nicht verlieren."

Bilder © Pixabay

 

Alois Payer

Alois Payer, geboren 1944, studierte und lehrte an verschiedenen Universitäten und Hochschulen Indologie, Buddhologie und Religionswissenschaften
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